GPX-Daten der Etappe

Gerhard ging es nicht gut. Er wollte die Tour komplett abbrechen und mit der Bahn nach Deutschland zurückfahren.
Das Frühstück, das gute Wetter und Hans bekehrten ihn teilweise und so verabredeten wir, dass Hans und Gerhard über die Fanesalm und Armentarola zum Valparolapass hinauffahren, während Sigurd, Helmut und ich wie geplant unsere Etappe über das Kreuzjoch und die Plätzwiesen zum Misurinasee angehen würden. Am nächsten Tag wollten wir uns am Rifugio Averau treffen.

Von San Vigilio geht es zum Kreuzjoch gute tausend Höhenmeter hinauf. Die Steigung schwankt ein wenig zwischen 10 und 25 Prozent, weil aber der Untergrund meistens gut ist, kann man mehr davon fahren, als man aufgrund des Profils erwarten würde.
Wir legten die sportliche Herausforderung immer wieder zur Seite und genossen das wunderbare Panorama. Der Regen des Vortags hatte die Luft gereinigt und die Sonne setzte alles ins rechte Licht.
Bald schon konnte man über die Berge von San Vigilio hinweg im Westen den Peitlerkofel und die Plose sehen.
Unsere Bewunderung für die Umgebung wuchs mit der zunehmenden Steigung, die aber langsam auch das Schieben zu einer Herausforderung machte. Immerhin sieht man den Pass stetig näherkommen und weiß, dass die Plackerei bald zu Ende ist.

Die Passhöhe ist der ideale Platz für eine Pause. Erstens, weil man es nötig hat. Aber auch, weil sich nun der Blick nach Osten öffnet. Rechts des Tales sieht man die schroffen Zacken der Karspitze, hinter der sich der Seekofel und die Sennesalm, die wir 2011 besucht hatten, verstecken. Davor erhebt sich der grüne Rücken des Col Bocia auf immerhin noch über 2300 Meter.

Für uns stand fest, dass wir diesen Berg an seiner Südseite umfahren und durch das Lärchental ins Grünwaldtal zum Pragser Wildsee abrollen. Nicht nur, weil die Namen klangen, als befände man sich in Mittelerde, sondern auch, weil wir auf die guten Ratschläge in den Mountainbikeforen hören wollten. Der Weg über die Hochalmhütte, der den Col Bocia nördlich passiert, sei sehr schwierig, hieß es dort und, nachdem wir bereits bergauf genug geschoben hatten, freuten wir uns auf den verdienten Lohn für die mühevolle Arbeit.
Der Trail war bis hinab zum Pragser Wildsee ein Traum. Bis zum Wegweiser, wo man zur Senneshütte oder zurück ins Gadertal abzweigen kann, fährt man auf einem Band auf gut verdichtetem feinem Schotter. Dabei verliert man nur wenig an Höhe. Direkt hinter der Wegkreuzung wird es jedoch steil und es kostet etwas Mut, auf dem weichen Boden zwischen Wurzeln und Felsbrocken hindurch zu steuern.
Am Ende des steilsten Stückes beginnt eigentlich erst das Lärchental. Hier folgt man seinem Navi oder den schwachen Spuren im Geröll, in das man immer wieder tief einsinkt und das ständig versucht, dem Fahrrad eine andere Richtung aufzuzwingen. Weil es aber immer noch ordentlich bergab geht, bleibt man nicht wirklich stecken. Außerdem wird der Boden durch den zunehmenden Bewuchs immer fester und das letzte Stück bis zum Grünwaldtal rollt man auf saftigem Gras.

Von der Hütte ‚Alter Kaser‘ an befanden wir uns im Grünwaldtal und auf dem breiten Weg zum See hinunter. Das Tempo wurde von nun an durch die Wanderer bestimmt. Immer wieder gab es aber auch schmale Pfade links und rechts des Weges, auf denen man die weniger aufmerksamen Spaziergänger passieren konnte.
Es war der letzte Sonntag vor den Ferragosto-Ferien, die Sonne strahlte am blauen Himmel und der See bot vor der imposanten Bergkulisse einen einfach paradiesischen Anblick. Abgesehen von Alessia Bandoni, die sich leider Tags zuvor den Fuß gebrochen hatte, hatten sich ausnahmslos alle Italiener entlang unseres Weges und am Seeufer versammelt.
Wir vertrauten uns und unsere Fahrräder einer Strömung an, die uns gemächlich entlang des Westufers zum Hotel Lago di Braies am nördlichen Ende des Sees trieb.
Dort teilte sich die Strömung und wir konnten ihr über den Steg über den Rio di Braies entkommen.
Obwohl der Pfad nach Innerprags hinunter wunderschön ist, begegneten uns hier nur noch wenige Menschen und wir fuhren wie auf Mopeds, nur ohne Lärm und Gestank, so schnell es uns das sanfte Gefälle gestattete zunächst auf dem federnden Waldboden, dann auf einem Schotterweg und am Ende noch einige Meter auf Teer.

Die Straße zu den Plätzwiesen ist eine Sackgasse und es gibt vor dem eigentlichen Anstieg eine Mautstation. Beides reduziert den Autoverkehr, so dass man die 800 Höhenmeter eigentlich relativ entspannt abspulen könnte. Wir vermieden jedoch zunächst die Straße und folgten dem hübschen Pfad entlang des Stollabachs, was uns natürlich einige Bodenwellen und kurze Steilstücke einbrachte. Kurz vor Ponticello gewann der innere Schweinehund die Oberhand und wir blieben bis oben auf der Straße. Die Alternative wäre ein Pfad gewesen, der die Kehren der Straße jeweils abschneidet und entsprechend viel steiler und eher für die Abfahrt geeignet ist.
Es gibt einen Busverkehr bis zum Parkplatz am Ende der Teerstraße. Ob die Mountainbikes mitnehmen, weiß ich nicht. Am Ende wird die Straße dann aber doch noch einmal etwas steiler und vor allem sehr schmal. Die Ampel haben wir ignoriert und so mussten wir schließlich über die Leitplanke klettern, um dem entgegenkommenden Bus auszuweichen.
Bereits im Anstieg bieten sich einem in alle Richtungen wunderbare Bergkulissen, besonders nach Westen, wo einem der Anblick der Croda Rossa bis oben begleitet. Croda Rossa heißt etwa Rote Felszacke und erklärt sich von selbst, besonders, wenn man diesen nördlichsten Dreitausender der Dolomiten von Süden, vom Bahnweg aus sieht.
Auf den Plätzwiesen angekommen öffnet sich nun auch der Blick nach Süden und man kann die Berge von Cortina d’Ampezzo sehen, Monte Popena und Cristallo, und auch die Cadinigruppe oberhalb des Misurinasees zeigt sich jenseits der Dürrensteinhütte. Obwohl man 2000 Meter hoch ist, ist alles grün und es sind Heerscharen von Wanderern unterwegs. Wie die so schnell vom Pragser Wildsee hier hinauf kamen, konnten wir uns nicht erklären. Gelassen patrouillierten Rinder zwischen den Touristen und dort, wo sie selbst nicht passieren durften, rotteten sie sich zusammen, um mit ihren Leibern und ihren Hinterlassenschaften auch den Zweibeinern das Durchkommen zu erschweren.

Am Rifugio Vallandro, der Dürrensteinhütte beginnt der Trail nach Schluderbach. Leider waren wir zu sehr damit beschäftigt, die Abfahrt zu genießen und so gibt es keine Bilder. Nach wenigen Metern ist man im Wald und hier schlängelt man sich auf einem schmalen Pfad zwischen den Bäumen hindurch. Richtig steil wird es allenfalls, wenn man eine Böschung hinunter auf den Wirtschaftsweg fährt, den man mehrmals überqueren muss. Nach 550 Höhenmetern endet das Vergnügen an der SS 51 direkt am Gasthof Ploner, der im Wesentlichen die Gemeinde Schluderbach ist.

Bis hier war es ein schöner Tag, landschaftlich kaum zu überbieten und mit jeder Menge Fahrspaß. Leider mussten wir noch zum Misurinasee.
Zur Straße gab es nun keine Alternative und so ertrugen wir 6 Kilometer und 300 Höhenmeter lang den Lärm und Gestank des dichten Verkehrs, ließen uns trotz entgegenkommender Fahrzeuge fluchend überholen und wichen, wenn nötig auf die Bankette aus. Der Lohn für die Mühen war ein schäbiges Hotel am See mit einem Zimmer, kaum größer als ein Schuhkarton, Dusche über den Flur und offen liegenden elektrischen Leitungen zur lose aus der Wand hängenden Lampe über meinem Bett.
Bereits 2011 habe ich mich über das Missverhältnis zwischen üppigem Preis und kümmerlicher Leistung beklagt. Anderes Hotel – selbe Geschichte!

Am Nordufer des Sees gibt die Pizzeria Locanda al Lago. Die sehr gute Pizza und die frisch gezapften Biere(!) dort entschädigen ein wenig für die schlechte Unterbringung an der westlichen Seepromenade und trotz allem ist auch der See selbst mit seiner Umgebung ein wunderbarer Ort, um einen schönen Tag lang die Seele baumeln zu lassen.

Währenddessen …

… sind Hans und Gerhard gemütlich das malerische Pederütal hinaufgerollt, haben die Schotterpiste zu Lavarellahütte erklommen und nach einer üppigen Pause in traumhafter Umgebung den kurzen Anstieg zum Limojoch und der Fanesalm hinter sich gebracht. Am Tadegajoch gab es immer noch die Wurzel, die wir bereits 2011 fotografiert hatten und auch der Ausblick, zum Beispiel auf die Marmolada, hatte im Verlauf der letzten drei Jahre nicht gelitten. Schließlich stiegen sie noch den Col de Loccia hinunter nach Armentarola und kurbelten wie verabredet zum Valparolapass, wo sie nach eigener Aussage im Rifugio Passo Valparola das beste Abendessen des Jahres genossen haben und insgesamt einen mindestens ebenso schönen Tag verbracht hatten wie die Zwillinge und ich.

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