In der Nacht hatte es noch tüchtig geregnet. Mir kam das ganz gelegen, weil meine Schuhe noch nass waren und ich die Anderen so nicht lange beneiden musste.
Der Europäische Fernwanderweg E5 von Oberstdorf nach Meran führt auch von Zams über den Krahberg. Das macht Zams als Etappenziel für Wanderer attraktiv und man kommt den Wanderern offenbar gerne entgegen, indem man ihnen die ersten Seilbahnfahrten des Tages vorbehält.
Das schlechte Wetter der Nacht und die noch unsichere Prognose für den Vormittag bescherte uns einen leeren Lift und wir hatten keine Wartezeit. Die Seilbahn bringt einen von etwa 800 m auf 2200 m Meereshöhe und direkt zum E5, den wir aber bald nach Südosten verließen. Unser erstes Ziel war die Pillerhöhe, die wir aus dem Pitztal kommend bereits zweimal auf der Straße überquert hatten.
Die Trailempfehlung für heute hatte ich von Komoot. Dort wird unser Weg kurz als „Super flowiger Trail“ angepriesen, was sich im Großen und Ganzen bestätigte.
Für Wanderer heißt der obere Teil auch Venet-Panoramaweg und auch diesen Namen hat er sich verdient. Bis zur Goglesalm befindet man sich ständig im Hang oberhalb des Inntals mit oft beeindruckenden Tiefblicken und einer tollen Fernsicht auf die fast 3000 m hohen Berge jenseits des Inns. Einige waren in der Nacht mit einer dünnen Neuschneedecke gepudert worden.
Der Weg ist ein echter Singletrail. Es bedurfte aber nicht mehr als eines freundlichen Grußes und die Fußgänger ließen uns bereitwillig passieren. Die Bilder verraten bereits, dass man sich nicht in schwierigem Terrain befindet.
Erst kurz vor der Goglesalm begann es, etwas steiler zu werden.
Bald verschwand der Pfad zwischen den Bäumen. Hier zwangen uns die nassen Wurzeln ab und zu vom Rad. Überhaupt strotzte alles nur so vor Wasser. Der Weg selbst war oft Bachbett, dort wo er über Freiflächen führt war das Gras kniehoch und oft genug sanken die Räder genauso tief in den matschigen Untergrund ein. Ob das an den Wolkenbrüchen des Vortags und der Nacht lag, kann ich nicht sagen. Die Vegetation rundherum war auf jeden Fall so fett und saftig, dass es schwer vorstellbar ist, hier könnte es jemals trocken gewesen sein.
Es ging immer noch einigermaßen steil bergab und so kamen wir trotz des schlechten Untergrundes gut voran.
Schließlich gelangten wir an das Piller Hochmoor, wo man einige Meter auf dem Holzweg verbringen kann.
Wir hielten uns nicht lange auf und gelangten auf einigen auch ruppigen Abschnitten bald etwas unterhalb des geplanten Punktes auf die Pillerstraße, die wir nun einige wenige Meter hinaufkurbeln mussten.
Von der Pillerhöhe zum Abzweig nach Faggen kommt man am Gacher Blick vorbei, einer Aussichtsplattform mit einem tollen Blick auf den 700 Meter unterhalb fließenden Inn und auf das umgebende Bergpanorama. Wir hatten das bereits 2018 bestaunt und verzichteten auf zeitraubendes Genießen.
Die Abfahrt nach Faggen ist einfach und es ist fast schade um die vielen Höhenmeter, die man auf dem Fahrweg, im unteren Abschnitt sogar auf Teer, vernichtet.
Von Prutz an geht es auf dem Inntalradweg 32 km lang so gemächlich bergan, dass man am Ende jämmerliche 200 Höhenmeter gewonnen hat. Eine kleineren Anstieg überwindet man hinter der Schweizer Grenze bereits auf der Straße. Die etwa 50 Höhenmeter vernichtet man dann aber sofort wieder in der ebenfalls kurzen Abfahrt.
An einer Stelle, die den Namen Sclamischot trägt, verließen wir endlich das Inntal mit seinem Straßenlärm und dem Gestank der Autos. Es wurde sofort steil, zehn Prozent durchschnittlich auf den nächsten fünf Kilometern, allerdings durchgängig auf festem und weitgehend ebenem Untergrund. Vor der ersten Kehre hielt der Weg einen zusätzlichen Leckerbissen bereit: Einen 200 Meter langen, unbeleuchteten Tunnel, der kurz vor seinem oberen Ende gerade so weit nach links abknickt, dass man den Ausgang vorher nicht sehen kann. Natürlich hatte niemand Licht am Rad und so orientierten wir uns an der Aura der Tunnelwände, die man immer dann spürt, wenn man ihnen näher als 50 Zentimeter kommt.
Unwillkürliche Lenkbewegungen versuchte ich immer sofort mit einer übertriebenen Gegenbewegung auszugleichen und so mühte ich mich in einem wilden Zickzack den steilen Weg hinauf, bis ich glücklich den Knick erreichte und erleichtert dem Licht entgegeneilte.
Im Verlaufe des Anstiegs gelangten wir wiederholt auf Abschnitte, wo der Weg für die Radfahrer mit Holzbrettern künstlich angelegt war. Das ersparte einem das darunterliegende dichte Wurzelwerk. An einigen Stellen waren die Bauarbeiten noch im Gange und es kann sein, dass die Trails südöstlich von Nauders dadurch aus dem Inntal heraus noch besser zu erreichen sind.
Auf etwa 1700 Metern Höhe gelangten wir auf die Trails, die von oben nach unten Gerrytrail, Riatschwegele Trail und Familytrail heißen.
Manchmal kribbelte es etwas, aber wir sind alles gefahren. Dabei kann man das Bike durchaus ein wenig rollen lassen. Die Kurven sind meistens etwas überhöht und sehr steile Passagen führen eigentlich immer in flachere Abschnitte, bevor man wieder steuern muss. Auch hier geht es zum Teil über Holzstege, breiter diesmal, dafür aber mit Steilkurven.
Obwohl es schließlich nur 300 Höhenmeter bergab ging, waren diese Trails der Höhepunkt unseres Tages.
Unsere Fahrt nach Nauders hatte länger gedauert als geplant und ein Auftsieg mit der Bergkastellbahn war leider nicht mehr möglich. Statt des Almtrails, des Plamort- und des Bunkertrails brachte uns deshalb der Radweg zum Reschensee, vorbei am Haidersee und hinunter nach Mals, unserem Tagesziel.
Kurz vor Mals gibt es eine Automatik, die die Bewässerungsanlage auf den Feldern so steuert, dass die Benutzer des Radweges größtmöglichen Profit davon haben. Triefend nass erreichten wir unser Quartier, das Hotel Sonne.
In der Pizzeria Lampl hatten wir ein sehr gutes Abendbrot.
Als wir ins Hotel zurückkamen, war der Gastraum verwaist. Wir bedienten uns also selbst am Kühlschrank.
Später kamen weitere Gäste, die Zapfanlage wurde wieder in Betrieb genommen, Schnäpse und Weine ausgeschenkt und wenn alle am Ende so ehrlich waren wie wir, hat der Wirt einen ordentlichen Umsatz und Gewinn gemacht, während er offenbar friedlich in seinem Bett lag und schlief.
Mals liegt 1060 m über dem Meer und so ist das gar nicht unwahrscheinlich.