GPX-Daten der Etappe

Um es gleich zu sagen: Eigentlich wollten wir an diesem Tag bis Alleghe kommen.

Doch zunächst das Positive: Unsere Räder waren noch da, obwohl sie im Freien übernachten mussten. Ich hatte meines mit einem Handtaschenalarm gesichert, was aber wegen des hauseigenen Wachpostens im Grunde unnötig war.
Es sollte ein trüber Tag werden, so meinte zumindest der Morgen. Und es begann gleich knackig. Bis zur Fanesalm überwindet man noch einmal 100 Höhenmeter mit einer durchschnittlichen Steigung von 15 Prozent. Vielleicht kann man das fahren, schieben ist aber mit Sicherheit bequemer.

Von der Fanesalm ging es gleich wieder hinunter, immer entlang des Rio Fanes. Der Weg ist sicher auch mit einem Jeep fahrbar, war jedoch übersät mit faustgroßen Steinbrocken, denen man oft nicht ausweichen konnte. So sprangen Vorder- und Hinterrad eigenwillig mal nach dieser und mal nach jener Seite, während die Trägheit dafür sorgte, dass man im Großen und Ganzen seine Richtung beibehielt.
An der Kreuzung, wo wir eigentlich nach Süden abbiegen wollten, fuhren wir einige wenige Meter vorbei und fanden tatsächlich eine Stelle, wo man den Rio Fanes unterqueren kann. Dieser Wasserfall ist sehr berühmt und auf jeder Landkarte eingezeichnet.
Wenn man weitere 50 Meter den Weg hinunterfährt, kommt man an die unscheinbare Ponte Outo Brücke. Obwohl aus Holz und nur wenige Meter lang, überspannt sie eine Schlucht von atemberaubender Tiefe.
Das wussten wir damals noch nicht. Wir sind also auf unseren Track zurück, um kurz darauf auf einer ähnlich spektakulären Brücke über den Rio Travenanzes zu fahren.

Zum Passo Posporcora, der nur für Wanderer wirklich ein Pass ist, mussten wir noch einmal steil hinauf. 230 Höhenmeter mit bis zu 30 Prozent Steigung.
Der Weg steigt auch nachher noch an, ist aber gut fahrbar, sobald man den Pass erreicht hat. Man befindet sich nun etwa 300 Meter über dem Tal der Boite, die von Norden kommend nach Cortina d’Ampezzo fließt und hat einen wunderbaren Ausblick auf die Berge um Cortina.
Es war noch Vormittag und die Sonne verlieh der Szenerie einen zusätzlichen Zauber. Jenseits von Cortina konnte man allerdings bereits die dunklen Wolken sehen, die uns am Nachmittag die Stimmung verderben sollten.
Der GPX-Track enthält einen kleinen Abstecher nicht, den ich mit Hans zusammen nach Cortina unternahm. Meine Vorderrradbremse hatte Bremsflüssigkeit verloren und wir haben das in Cortina vorläufig beheben lassen. Die anderen warteten derweil am Nobelrestaurant Col Druscié und genossen die teuersten Spaghetti in ganz Italien.

Zurück auf dem Track kreuzten wir die Tofana-Weltcupabfahrt und kämpften uns durch schlammiges Gelände, öfter schiebend als fahrend oft steil bergauf. Irgendwann erreichten wir die Straße, die zwischen den Cinque Torri und der Tofana Rozes nach Westen zum Falzarego Pass und bergab nach Cortina zurück führt. Erneut vernichteten wir 400 Höhenmeter und die Zeit lief uns langsam davon. Also fassten wir den genialen Entschluss, von unserer geplanten Route abzuweichen und stattdessen den Weg 431 zum Lago Fedèra zu nehmen. Es war eine echte Abkürzung, allerdings nur, was die Entfernung anging. Wir mussten natürlich denselben Höhenunterschied überwinden und lernten auf die schmerzhafte Art, dass man ohne Not niemals von der geplanten Streckenführung abweichen sollte.
Der Weg ist steil und man hebt das Fahrrad ständig über Wurzeln. An manchen Stellen muss man es in Schulterhöhe auf einem Absatz abstellen und mühsam hinterherklettern. Immerhin gab es eine Toilette.
Uns begegneten einige Wanderer, die sich in allen europäischen Sprachen fachkundig über unseren Geisteszustand austauschten.
Als wir endlich am See ankamen, regnete es und die Wurzeln waren nass und rutschig, wie wir leidvoll feststellten. Das Rifugio Croda da Lago war für die Nacht ausgebucht und wir mussten notgedrungen weiter.

Zur Forcella Ambrizzola hinauf kann man eigentlich vieles fahren. Wir waren aber inzwischen so ans Schieben gewöhnt und mussten uns auch erst wieder mit der Technik des Kurbelns vertraut machen, weshalb wir zunächst darauf verzichteten. Immerhin regnete es nicht mehr und hinter uns hatte die Sonne bereits erste Löcher in die Wolkendecke gebrannt.
Laut Höhenprofil würde es bald stetig bergab gehen und wir könnten an einer der Hütten entlang des Weges nach einem Nachtquartier fragen.

Auf der Passhöhe angekommen teilte sich der Weg. Links ging es durch eine riesige Geröllhalde weiter bergauf. Rechts ging es bergab auf eine freundliche Wiese mit einem Wegweiser kaum 30 Meter unter uns. Geduldig erwartete er unsere Ankunft, hielt aber die von uns benötigten Informationen hartnäckig zurück. Es entbrannte eine langwierige Diskussion über den weiteren Ablauf, in die sich schließlich auch Sigurds Garmin einmischte.
Dieses Gerät war nicht in der Lage, eine Landkarte anzuzeigen, registrierte aber, wenn man den gespeicherten Track verlassen hatte. Während wir also noch weiter debattierten, nahmen die Zwillinge ihre Mountainbikes und verzogen sich wortlos zu der Geröllhalde. Es ist bis heute unklar, ob sie uns dort zurücklassen wollten oder darauf vertrauten, dass wir wie alle Welpen einen Folgetrieb besaßen und hinterherkommen würden.
Selbstverständlich konnten wir die beiden nicht ihrem Schicksal überlassen und folgten ihnen.


Wenn man zum Pelmo will, ist nicht die Forcella Ambrzzola die eigenliche Passhöhe, sondern die noch einmal 25 Meter höhere Forcella di Colduro. Von da an ging es nun wirklich bergab, der im Reiseprospekt versprochene Flowtrail blieb aber aus.
Wir hatten uns bereits vorher schon über das seltsame Verhalten und die verschlagenen Blicke der Rinder entlang des Weges gewundert. Nun stellte sich heraus, dass diese zu einer Aktivistengruppe gehörten, die die Mountainbiker aus ihrem Revier vertreiben wollten. Während wir mit zunehmender Frustration die Bikes neben dem Weg her bergab schoben, konnten wir sehen, wie vor uns eine Gruppe dieser Ökoterroristen immer eine Rinderlänge des Weges mit frisch hergestellten Kuhfladen präparierten und dann wieder eine Rinderlänge verschonten.
Nun weiß man ja, dass eine Rinderlänge genau dem Umfang eines 26 Zoll Rades entspricht. Man versah also mit jeder Umdrehung einmal sein komplettes Rad mit klebrigem Rinderkot und mit der nächsten mit einer Schicht Sand, der vorzüglich darauf haftete. Nach weniger als zwanzig Umdrehungen passt so das Vorderrad nicht mehr durch die Gabel und man muss vom Rad und die Pampe aufwändig entfernen.

Hinter einer kleinen Gegensteigung erreichten wir in der Dämmerung die Città di Fiume Hütte. Die Zwillinge erwarteten uns mit der schlechten Nachricht, alles sei belegt. Also weiter!

Schließlich kamen wir auf die Straße und rollten im Dunkeln nach Pescul hinunter. Erste Einfahrt rechts war ein Hotel, das Albergo Ladinia. Obwohl wir aussahen wie unsere Fahrräder haben die uns aufgenommen. Wir sind ihnen heute noch dankbar.
Nachdem wir die äußeren Dreckschichten abgewaschen hatten gingen wir noch auf Nahrungssuche. In der fußläufig erreichbaren Umgebung unseres Hotels gab es zwar kein Restaurant, das noch offen hatte, aber die Apres-Ski Bar Speckstube Dai Nat. Auch denen sind wir heute noch dankbar. Es gab zwar keine warme Küche aber eine gigantische Antipastiplatte mit vielen leckeren Happen und vorzüglichem Gerstensaft und einem „da Capo“.

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