
Der Himmel weinte, als wir zu unserer technisch anspruchsvollsten Etappe aufbrachen. Der Plan war, in Pozza das Fassatal zu verlassen und über den Passo San Nicolo in 2338 Meter Höhe und das Rifugio Contrin bis nach Canazei zu fahren.
In der Nacht sollte es aber bis auf 2000 Meter hinunter geschneit haben und neben unserem üblichen Gepäck schleppten wir wachsende Zweifel mit hinauf zum Karerpass.
Am Ortseingang von St. Zyprian bogen wir nach rechts von der Nigerstraße ab. Wir blieben die gesamten 550 Höhenmeter auf dem gut befestigten Forstweg, der sich in unzähligen Kehren durch den Wald hinaufwindet. Dabei trafen wir wiederholt auf eine kleine Gruppe von Mountainbikern, die auch die Trails benutzten, die einem jede zweite Kehre zum Preis eines steileren Anstiegs ersparten. Am Ende waren sie genauso schnell unterwegs wie wir und bestätigten damit unsere Entscheidung für die gemächlichere Variante.
Endlich wieder auf der Straße angekommen, waren die Regentropfen so klein geworden, dass sie den Gesetzen der Schwerkraft nicht mehr gehorchten. Viele von ihnen waren auch noch unentschlossen, was ihren Aggregatszustand anging. Helmuts Armbanduhr zeigte 3 Grad Celsius, vieleicht waren es auch Kelvin, und das Wasser kam uns selbst bei unserer geringen Reisegeschwindigkeit horizontal entgegen, drang in Ärmel, Kragen und Schuhe und sorgte dafür, das wir immer mehr auskühlten. Alle Bewegungen, die man irgendwie als feinmotorisch beschreiben könnte, waren uns schon lange nicht mehr möglich. Deshalb gibt es auch keine Bilder von unserem Leidensweg.
Immer wenn ich blinzelte, bildete sich auf meiner Netzhaut das wunderbare italienische Wort Rifugio.
Kurz vor der Kreuzung, wo man rechts zum Karersee und nach Welschnofen abbiegen kann gibt es auf der linken Seite die Fallmur Alm. Dort habe ich die beste Carbonara meines Lebens gegessen und dort blieben wir, auch nachdem wir unsere Kleidung gewechselt hatten, bis es draußen aufklarte.
An der Wand hingen persönliche Widmungen von Walter Steinmeier und Leni Rieffenstahl und ich überlegte, ob sie dort Bergtouren ohne Führer unternommen hatte.
Im Oktober des selben Jahres bin ich mit dem Auto bei strahlendem Sonnenschein und ungetrübter Fernsicht an der Fallmur Alm gewesen und habe das herrliche Rosengartenpanorama genießen können, dass uns das Wetter im Juli vorenthielt.


Wenige Meter hinter der Alm biegt rechts ein leicht zu fahrender Trail nach Moena ab.
Die Temperaturen im Fassatal waren angenehm, auf den Berggipfeln um uns herum konnte man jedoch noch den Neuschnee der vergangenen Nacht sehen und so verzichteten wir auf den Umweg über den San Nicolo.
Stattdessen radelten wir gemütlich den Fassatalradweg hinauf und waren viel zu früh in Canazei, unserem eigentlichen Zielort.
In Canazei gab es an diesem Tag einen Berglauf, dem Termin nach mag es der Dolomythsrun oder ein Vorgänger gewesen sein. Wir mischten uns unter die Zuschauer und schlossen uns dem Applaus für die Finisher an. So konnten wir erfahren, dass man die Streckenführung wegen des Neuschnees verkürzt hatte. Wer weiß, was uns am San Nicolo erwartet hätte.






Der Tag war noch jung. Also telefonierten wir mit dem Col di Lana Hotel auf dem Pordoi-Pass, reservierten Zimmer und fuhren mit der Seilbahn bis zum Bellavista.
Dort mischten wir uns unter die Rennradfahrer und kurbelten die restlichen 320 Meter die Passstraße hinauf.
Helmut und ich mussten uns natürlich mit Fausto Coppi fotografieren lassen.