GPX-Daten der Etappe

Hätte man beim Errichten der Alpen ein klein wenig Rücksicht auf uns Mountainbiker genommen, wären wir heute mit ganz wenig Gefälle vom Gavia-Pass zur Montozzoscharte abgefahren. Der Höhenunterschied beträgt nur vierzig Meter.
Dank der Verpflegung und der dünnen Luft waren wir andererseits mit hochwertigen Kalorien und leistungsfähigen Blutkörperchen so vollgestopft, dass uns der kleine Abstecher ins Tal nicht wirklich schreckte.

Welch einen miesen Tag hätten die Sonne, die Ziegen und das großartige Panorama gehabt, wären wir nicht da gewesen, sie zu bewundern. Dankbar hielten sie uns den ganzen Tag die Treue. Natürlich nicht die Ziegen.
Gegenüber des Rifugio Bonetti gibt es eine Statue, die Madonna der Radfahrer. Sie wacht nicht nur über die zahllosen Rennrad- und Mountainbikefahrer, sie genießt auch den Ausblick auf die Bergwelt, besonders auf die stets schneebedeckten Gipfel des Adamello jenseits des Valcamonica im Süden.

Der Gebrauchsanweisung folgend rollten wir die schmale Passtraße südwärts hinunter.
Der Weg am Tunnel vorbei war im Juli 1954 Ort einer Tragödie, als ein Militärfahrzeug mit 18 Personen von der alten Passstraße abkam und in die Tiefe stürzte. Die Erinnerung daran wird gepflegt und man kann kaum gleichgültig am Gedenkstein vorüberfahren.

Rechts von der alten Straße geht es an einigen Stellen senkrecht hinunter und wir empfanden es als eine große Beruhigung, dass zwischen den Pfosten am Fahrbahnrand etwa in Hüfthöhe Schnüre gespannt waren, die uns im Zweifelsfall bestimmt gerettet hätten.
Trotz des mulmigen Gefühls an der einen oder anderen Stelle, ist es auf dem breiten Weg in jedem Fall sicherer als auf der Straße im Tunnel!

Etwas oberhalb von Pezzo gibt es bei OSM einen Pfad, der einen direkt über Case Pirli nach Case di Viso bringt. Um einige Höhenmeter zu sparen, probierten wir diesen Weg aus, mussten jedoch sehr bald feststellen, dass es meistens völlig unmöglich war, zu fahren. Überall unter und zwischen dem hohen Gras liegen große Steinbrocken und selbst das Laufen bereitet dort Mühe.
Mitten im Nirgendwo fanden wir einen armseligen, an einen Pflock geketteten Hund, der jammerte und vor uns mehr Angst hatte als wir vor ihm. Ein Besitzer war weit und breit nicht zu sehen, nur einige Schafe.
Wenig später lag ein paar Schritte unterhalb des Pfades der skelettierte Kadaver eines Schafes und nun reimten wir uns das ganze zusammen. Auch heute noch glaube ich, dass der Hund mit seinem Gebell Wölfe oder Bären von den Schafen fernhalten soll. Eine biologische Alarmanlage, im Ernstfall jeder Fluchtmöglichkeit beraubt und ein unschuldiger Gefangener der den Preis für die artgerechte Haltung der Schafe bezahlen muss.

Sobald man den Wald erreicht, kann man wieder fahren.
Die Case Pirli und die Case di Viso dürften wohl nur von Feriengästen oder von ihren Besitzern in den Ferien bewohnt werden. Es sind meistens kleine Natursteinhäuser, die den Eindruck erwecken, die Zeit sei hier stehengeblieben.
Bis nach Case di Viso kann man mit dem Auto fahren und so begegnet man dort und im Anstieg zur Montozzoscharte etlichen Spaziergängern und Wanderern. Bis nach oben schaffen es die wenigsten und so hat man bald schon wieder den Weg für sich.

Die ersten beiden Kehren begnügen sich noch mit mäßigem Anstieg, dann wird es jedoch steil und bis zum Rifugio Bozzi sind es fünfeinhalb Kilometer mit ständig mehr als 11 Prozent. Dank unseres Blutdopings und einem krankhaften Ehrgeiz haben Gerhard und ich praktisch alles im Sattel bewältigt und wir hätten beinahe geschwitzt.

In der Umgebung des Rifugio Bozzi gibt es einige Befestigungen aus dem Ersten Weltkrieg zu sehen und auch auf der Passhöhe findet man Gedenktafeln und Stellungen. Den Bergen war schon damals gleichgültig, ob sie deutsche oder italienische Namen tragen.

Die letzten Meter zum Pass sind mörderisch steil!

Welche Abfahrten in den Alpen sollte man wenigstens einmal in seinem Bikerleben gefahren sein. Ich verrate drei davon: Den Fimberpass, das Val Mora und die Montozzoscharte. Es gibt noch mehr, aber die verrate ich zu einem späteren Zeitpunkt.

Die ersten Meter der Abfahrt sind für das Selbstvertrauen. Man kann es rollen lassen, traut sich vielleicht auch schon über die losen Steinplatten durch die Rinnsale, die den Trail immer wieder kreuzen, umfährt oder überfährt die dickeren Brocken und steuert flüssig durch gutmütige Kurven. Dann dreht sich der Pfad nach Norden, es wird steil, die Kurven werden zu Kehren und der nackte Fels gibt Dir zu verstehen, dass er beabsichtigt Dir bei einem Fahrfehler wehzutun.
Irgendwann zeigte sich scheinbar tausend Meter senkrecht unter uns der Lago di Pian Palu und mit meinem Mut war es vorbei. Gerhard und die Zwillinge fuhren vorneweg und mussten immer wieder auf Hans und mich warten.
Das war unsere ganz persönliche Montozzoscharte, die wir erst 2018 ausbügeln konnten.

Sobald man die beiden Stege überquert hat, tauchen die ersten Bäumchen links und rechts des Trails auf und man kann es wieder etwas rollen lassen. Es gibt trotzdem Gefahrenstellen und der Abgrund rät zur Vorsicht.

Von der Staumauer des Pian Palù bis zu unserem Etappenziel in Dimaro im Val di Sole blieben wir auf der Straße oder auf Radwegen und in Dimaro ließen wir uns vom Tourismusbüro Zimmer im Hotel Serena vermitteln. Der Mountainbiker wird hier mit ungewohntem Luxus konfrontiert und teuer ist es auch nicht.
Ein Zimmer vorab zu reservieren ist allerdings schwierig, vermutlich weil die Betreiber des Hotels lieber Gäste hätten, die für mehrere Tage bleiben.

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