GPX-Daten der Etappe

Irgendwie landet man immer im Valtellina. Der Berninatrail führt einem quasi zwangsläufig nach Tirano und der Passo di Verva nach Grosio.
Die Variante über Aprica und den Idrosee hatten wir 2013 ausprobiert. Auch, wenn inzwischen der Weg zum Venerocolo befahrbar ist, kommt man kaum mit vertretbarem Aufwand in das Val d’Oglio, das von Breno nach Ponte di Legno hinauf führt.
Eine sehr attraktive Alternative ist das Valle Rezzalo zum Gaviapass und am nächsten Tag über die Montozzoscharte ins Val di Sole.





Wir wollten in diesem Jahr die Überfahrt über den Mortirolo ausprobieren. Nachdem wir bereits auf der Passhöhe starteten, sollte das keine allzu große Sache werden.
Natürlich kann man auf Teer nach Monno abfahren und dann den Radweg nach Ponte di Legno pedalieren. In unserer Gier nach Trails wäre das aber verschenkte Höhe gewesen. Also verließen wir am Albergo Mortirolo die Passstraße und machten uns auf den geteerten Fahrweg zum Pianaccio. Den bisher namenlosen Pass knapp unterhalb des Gipfels hat man inzwischen mit dem einprägsamen Namen „Col Carette di Val Bighera“ versehen, wobei nicht ganz klar ist, wie die Karett-Meeresschildkröte mit einem Alpenpass in Verbindung stehen könnte.
Hier und da muss man auch einmal einen der kleineren Gänge benutzen. Im Wesentlichen ist es aber ein sachter Anstieg, zunächst auch gelegentlich zwischen jungen Laubbäumen, später zwischen Almen und den kleinwüchsigen Kiefergehölzen, die hier wie überall in den Alpen an der Baumgrenze patrouillieren.
Aus der Ferne sahen wir eine geheimnisvolle Flut über die vor uns liegende Straße einen Hang hinauf strömen, das Teleobjektiv meiner Kamera entlarvte das Ganze letztlich als eine Schafherde.
Der Fahrtwind auf dem Weg zur Casine di Val Bighera blies einem das vielleicht doch leicht angeschwitzte Trikot trocken und so begann die eigentliche Etappe an diesem einsamen Hof, oder besser in diesem einsamen Hof, denn unser Weg durchquerte den kleinen Platz zwischen den Gebäuden, bevor er über eine von den heimischen Rindern sorgfältig präparierte Piste in den nahen Wald hinunter führte.




Bald wurde es steil und der Weg wand sich in einigen Kehren talwärts. Die eigentliche Herausforderung waren aber die großen Steinbrocken, die zuverlässig an den ungeeignetsten Stellen platziert waren. Auch weiter unten, wo sich der Pfad am Hang entlang ostwärts nach unten zog, waren diese scharfkantigen Bruchstücke heimtückische Begleiter, die die ganze Aufmerksamkeit des Radfahrers erforderten.
Auf Holzstegen, hier das einzige Zeichen einer Zivilisation, überquerten wir den ein oder anderen Gebirgsbach, als Erstes die Torrente di Val Bighera, die diesem Tal wohl seinen Namen verleiht, und irgendwann teilte sich der Weg.
Selbstverständlich mussten wir die Bikes über ein geschlossenes Tor heben, direkt neben einem von mehreren Gewehrkugeln durchlöcherten „Betreten verboten“-Schild. In der Wildnis ist die höchste juristische Instanz allerdings das Navi und das musste man wohl auch auf der anderen Seite der Absperrung so gesehen haben. Jedenfalls erreichten wir unverletzt und unbehelligt den Hauptweg im Val Grande.
Ein Ferienhaus in den Bergen ist für viele Italiener ein Traum und aus dieser Kombination sind im Val Grande einige Traumferienhäuser entstanden, die mit Naturstein und Holz die ohnehin bereits sehenswerte Gegend bereichern und so ist es kein Wunder, dass einem hier viele Wanderer begegnen, die den sportlichen Ambitionen der talwärts rollenden Radfahrer enge Grenzen setzen.


Wir verließen den Hauptweg, der bald als Straße nach Vezza d’Oglio hinunterführt, nach wenigen, stets harmonischen Begegnungen mit den Spaziergängern. Unser Plan war, am Südhang über dem Oglio möglichst viel von unserer Höhe zu nutzen, um den späteren Anstieg im Tal zu verkürzen.
Die „Ciclovia Karolingia“, wie sich dieser Weg nach Ponte di Legno nennt, ist für den Mountainbiker tatsächlich eine sehr attraktive Alternative zum geteerten Radweg im Tal. Fatalerweise hatte jedoch jemand in einem unserer meist belanglosen Gespräche das Wort „Essen“ benutzt und, einmal ausgesprochen, begann es unserer Motivation zuzusetzen. Natürlich setzten wir dennoch unbeirrt unsere Fahrt fort. Vorbei an der berühmten Chiesa di San Clemente und immer weiter und weiter, bis wir nach etwa 1500 Metern auf einen Wegweiser stießen. „Stadolina“ lautete seine Verheißung. Das weckte Sehnsüchte nach Pasta, Pizza, Capuccino und Weizenbier. Es kam also, wie es kommen musste. Das körperliche Verlangen siegte, wir verabschiedeten uns von der geplanten Route und Stadolina hatte geschlossen.
Auf abenteuerlichen Umwegen gelangten wir auf den Oglio-Radweg und in Temù fanden wir endlich auch ein Ristorante mit Pizza, Pasta, Weizenbier und Coperto.
Ein netter Waldweg oberhalb des Tales brachte uns schließlich nach Ponte di Legno.




Mein Plan war, hinter dem Ort ein kurzes Stück die rote Skipiste hinaufzuradeln. Dass es steil werden würde, wusste ich und eine kurze Schiebepassage hatte ich nicht ausgeschlossen. Schließlich machten wir es wie die Skianfänger im Winter: Wir querten den Hang im Zickzack und immer noch war es so steil, dass man nach wenigen Schritten stehenbleiben und Sauerstoff in seine Lungen pumpen musste.
Schließlich erreichten wir die Mittelstation der Seilbahn zum Tonalepass und dort lockte uns ein Schild mit unanständig lächerlichen 4 Euro für die Fahrt zur Passhöhe.
Nur die beiden 71jährigen Zwillinge konnten dem widerstehen, machten einige abfällige Bemerkungen über unsere Moral und kurbelten tapfer unterhalb der Seilbahn bis zur Passhöhe hinauf.
Vom Passo Tonale führt nördlich der Straße ein wunderschöner Weg ins Val di Sole hinunter. Meistens ist er breit und etwas für Raser, an einigen Stellen aber auch schmal und mit zum Teil senkrechten Abgründen für den schwindelfreien Mountainbiker. Technisch ist das sicher nicht die oberste Liga, aber manchmal genügt es ja auch, wenn es einfach nur sehr viel Spaß macht. Wie so oft bleibt die Kamera dabei in ihrem Etui und der interessierte Leser muss sich im Internet die Bilder selbst suchen oder, besser, selbst dort vorbeischauen. Aber Achtung: Vergesst nicht, Fotos zu machen.

Der Radweg durch das Val di Sole bereitete uns sanft auf das Ende unserer Etappe vor.
Dimaro war voll und wir mussten uns auf zwei verschiedene Hotels aufteilen.
Die Zwillinge wohnten in einem Sporthotel am Ortsanfang. Wir jungen Leute waren im Hotel San Camillo kurz vor dem Ortsausgang untergebracht, wo wir nach einigen Verwirrungen sogar unbewohnte Zimmer zugeteilt bekamen.
Die Straßenreinigung überlässt man in Dimaro höheren Mächten. Mit einem Wolkenbruch kurz nach unserer Ankunft wurde in diesem Jahr eine Tradition begründet, auf die wir uns auch bei späteren Alpenüberquerungen noch verlassen konnten.