GPX-Daten der Etappe

In der Nacht wurden wir kurz geweckt. Der Himmel hatte seine Schleusen geöffnet und der Regen trommelte auf allem, was er erreichen konnte. Lange würde er das nicht durchhalten können.
Tatsächlich sollte unser heutiger Tag trocken, wenn auch nicht wolkenlos bleiben.

Nach einem italienischen Frühstück mit Zwieback und abgepacktem Nutella freuten wir uns bereits auf das Mittagessen in Livigno. Eine Pizza sollte es werden.

Der Regen der Nacht war auf dem Monte Solena jenseits des Sees als Neuschnee niedergegangen. Unsere Spuren vom Vortag in den Schneefeldern am Monte Pedenolo dürften die Nacht kaum überstanden haben.

Unser erstes Ziel war der Passo Trela in 2295 m Höhe. Die sieben Kilometer Trailabfahrt nach Livigno war uns diesen Umweg wert.
Bis zum Rifugio San Giacomo rollt man gemächlich an den beiden Stauseen entlang. Dann beginnt der kurze aber teilweise sehr steile Anstieg zur Alpe Trela. Der Weg dient auch als Zufahrt zur Alpe Trela und so ist er breit und besitzt eine gute Oberfläche. Mit etwas mehr Ehrgeiz hätten wir alles fahren können. Glücklicherweise schmerzte Johannes Knie und so hatten wir anderen eine Ausrede, es nicht zu tun.

Die Alpe liegt etwa 150 Meter unterhalb der Passhöhe. Hier ist alles saftig grün und für die Mulis am Wegesrand sicher so eine Art Wellness-Oase.
Die Baite di Trela ist bewirtschaftet, wir waren aber zu früh unterwegs, um davon etwas mitzubekommen.

Von dem Hof zur Passhöhe gelangt man auf einem Pfad, der einem immer wieder gestattet, ein Stück zu fahren, um zwischendurch sporadisch mit einigen kurzen Steilstücken die Willensstärke seiner Benutzer zu überprüfen. Wir hatten aber immer noch das Problem mit Johannes Knie …

Die Abfahrt nach Livigno war ein Genuss, für den wir mit dem kurzen Aufstieg einen geringen Preis zahlen mussten. Der Weg war in einwandfreiem Zustand und es fanden sich überall Markierungen für eine Mountainbikeveranstaltung, die hier vor kurzem vorbeigekommen sein musste oder in Kürze vorbeikommen würde.
Man muss kein Akrobat auf seinem Fahrrad sein, um hier hinunterfahren zu können. Hindernisse gibt es praktisch gar nicht. Ab und zu wird es etwas steil, aber nie beängstigend.
Um den Fahrspaß abzurunden, funktionierte meine vordere Bremse während der Abfahrt auch wieder tadellos. Erst kurz vor dem Ort Livigno erinnerte sie mich freundlich daran, dass ein Werkstattbesuch unvermeidlich sei.
Kurz vor dem Ende des Trails überquert man die Torrente Vallaccia und muss noch einmal ein paar Meter bergan kurbeln, bevor man den See und seine wohlriechenden Besucher erreicht.

Wir erledigten einige Wartungsarbeiten. Johannes Knie bekam eine stützende Bandage, meine Bremse einige Kubikzentimeter sauberes Öl und wir alle wurden mit sättigender Pizza und angeblich isotonischem alkoholfreiem Weizenbier auf den zweiten Teil unserer Etappe vorbereitet. Über dem Tal begannen sich dunkle Wolken zu versammeln. Da es aber noch nicht regnete, konnten wir uns noch aus dem Staub machen.

Gegen eine geringe Gebühr transportierte uns die Mottolino-Seilbahn etwa 580 Meter hinauf in den Bikepark gleichen Namens.
Wir wollten zum Passo Eira und konnten deshalb nur zwei Kilometer oder 200 Höhenmeter auf der „Take It Easy“-Spur des Bikeparks bleiben. Dennoch genügte das oder die Bandage, um Johannes alle seine Schmerzen vergessen zu lassen.
Auch die dem Namen nach einfache Route bietet unterschiedliche Schwierigkeitsgrade und neben der Spur sieht man Drops und Speed-Ramps mit furchteinflößenden Gaps. Kurzum alles, was man benötigt, um die Anatomie seines Bikes oder seines Skeletts nachhaltig zu zerstören.
Wer eine Woche Ferien im Bikepark machen möchte, sollte auch Livigno in Erwägung ziehen. Im Zweifelsfall findet man dort auch ein „Ambulatorio Specialistico Traumatologico Ortopedico“

Der Passo Eira bringt einen zurück in das Tal der Torrente Vallaccia. Dabei kann man fast die gesamte Abfahrt auf einem Trail oberhalb der Straße bleiben. Leider gibt es davon keine Bilder. Es war aber eine nette Abfahrt und eine Bestätigung, dass das Geld für die Gondel in Livigno gut angelegt war.
Wenn man den Bach im Ort Campaccio überquert hat, beginnt der Anstieg zum Passo Foscagno. Der Trail macht sicher Spaß, wenn man in die entgegengesetzte Richtung unterwegs ist. Bergan war es für uns der gewohnte Wechsel zwischen Kurbeln und Schieben.
Auf der Passhöhe überschreitet man die Grenze zwischen dem Zollgebiet Livigno und dem Zollgebiet Italien. Nachdem wir aber bereits unsere Zahnbürsten abgesägt hatten, um Gewicht im Rucksack einzusparen, war natürlich keiner von uns in Livigno zollfrei einkaufen gewesen.

Eine kurze Abstimmung erbrachte das eindeutige Ergebnis, dass wir keine weiteren Trails mehr suchen würden und auf der Straße nach Arnoga hinunterrollen würden. Der gestrige Tag steckte uns doch noch in den Knochen und mein Garmin war nach wie vor außer Betrieb, was auf der Straße kein Problem war.
Außerdem macht es auch riesigen Spaß, das Rad einfach rollen zu lassen. Man kann oft mit den Autos mithalten und gelegentlich sogar einmal überholen.

In Arnoga zweigte unsere Route von der Straße ab. Ins Val Viola hinein geht es zunächst auf Teer. An einer Stelle sollte man darauf achten, einen kurzen Anstieg unterhalb der Straße zu umfahren. Das erspart einem ein paar Höhenmeter und ist eine nette Abwechslung.
Wenn der Asphaltbelag endet, hat man bereits die Hälfte des Weges und auch die Hälfte des Höhenunterschieds zurückgelegt.
Obwohl wir bereits wieder über 2000 Meter hoch waren, war es knallheiß geworden und mit dem Asphalt endete auch der Wald, der uns bisher vor der Sonne ganz gut versteckt hatte.
Gleichzeitig öffnete sich uns der atemberaubende Blick in das Val Dosdè, das im südosten trichterförmig auf einen Halbkreis aus Dreitausendern zuläuft. Der erste von ihnen erscheint einem auch am mächtigsten. Es ist der Pizzo di Dostè, der mit 3280 m aber noch nicht der höchste dieser Berge ist. Von ganz rechts schaut die Cima Viola mit 3374 m auf die Dosdègletscher am Ende des Tales herab.
In Fahrtrichtung kann man nun auch bereits das altrosa verputzte Gemäuer des Rif Val Viola sehen, einsam in der Wildnis.
Im Haus gibt es ein Tiptop-Bettenlager und ein Sechsbettzimmer, das bereits reserviert war als ich dort anfragte. Im Nachhinein war das aber ok. Im Bettenlager waren wir ebenfalls gut untergebracht und auch die anderen Gäste beschwerten sich nicht über uns, zumindest nicht offen.
Es gab eine Hüttenverpflegung zum Abend und das bereits bekannte italienische Frühstück am kommenden Morgen. Dazu einen ordentlichen Wein und großzügig Grappa, wenn man mochte.
Für die Fahrräder gab es keinen abschließbaren Raum. Der Wirt versicherte uns aber glaubhaft, dass sich nachts allenfalls Rinder in die Nähe des Hauses verirren würden.

Das Rifugio Val Viola liegt einfach traumhaft und die wunderbare Gegend rechtfertigt auch ohne Mountainbike einen Besuch und auch einen Aufenthalt. Nachdem die Tagesgäste verschwunden waren, trauten sich überall die Murmeltiere aus ihren Löchern und es herrschte eine himmlische Ruhe.
Einziger Wermutstropfen: Wir tranken unsern Wein, den Grappa und unseren Kaffee aus Plastikbechern, aßen von Plastiktellern und schliefen unter Einweglaken auf Einwegbezügen nachdem wir uns mit Einweghandtüchern aus dem selben wasserabweisenden künstlichen Gewebe abgetrocknet hatten. Guten Gewissens kann ich die Hütte deshalb leider nicht empfehlen.
Vielleicht hat sich ja zwischenzeitlich etwas geändert.

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