
Zweieinhalb Jahre lang haben auf diesem Massiv die österreich-ungarischen und die italienischen Truppen einen Stellungskrieg geführt, in dessen Verlauf keine der beiden Parteien für sich einen nennenswerten Sieg davontragen konnte.
Verluste indes gab es genug. Die Gebeine von über 5000 Soldaten liegen im Ossario del Pasubio.
Im Grunde ist dieser Berg ein einziges Denkmal und eine Mahnung.
Die Gipfelkette, deren höchste Erhebung die Cima Palon ist, wurde in den 1920ern zu heiligem Boden erklärt.




Die Strada delle 52 Gallerie wird immer noch als ein heißer Tipp unter Mountainbikern gehandelt. Es kostet jedoch 250 €, wenn man erwischt wird und allzu viele Unbelehrbare hat sie auch bereits das Leben gekostet.
Vom Passo Xomo aus kommend steigt sie steil zum Rifugio Achille Papa an und dürfte in dieser Richtung auch aus diesem Grund nicht befahrbar sein.
Wir hatten ohnehin geplant, die Strada degli Scarubbi zu nehmen. Das Höhenprofil war auch dann noch anspruchsvoll, aber ich hoffte auf diesem Weg das meiste fahren zu können.
Wir starteten bei strahlendem Sonnenschein. Es sollte der heißeste Tag unserer diesjährigen Tour werden.
Hans klagte seit einigen Tagen über starke Rückenschmerzen und so trennten wir uns am Passo Xomo. Auf der SP 46 war er bald nach Rovereto abgerollt. Während wir uns abrackerten, verbrachte er die meiste Zeit damit, auf uns zu warten.
Trotzdem glaube ich, er wäre lieber bei uns geblieben.


Wir erreichten nach einem wohltuend schattigen ersten Kilometer den Parkplatz an der Bocchetta Campiglia. Hier gibt es ein Museum und den Eingang in die Strada delle 52 Gallerie. Wir widmeten dem Ganzen zu wenig Zeit und müssen deshalb ohne Bikes noch einmal hierher zurückkommen.














Die Strada degli Scarubbi zieht sich den Osthang des Pasubio hinauf und konnte im Krieg vom etwa 3 Kilometer östlich, jenseits des Posina-Tals gelegenen Monte Maio nicht nur eingesehen, sondern auch beschossen werden. Das war auch der Grund für das italienische Oberkommando an der schroffen und unwegsamen Südflanke des Berges 52 Tunnel in den Fels schlagen zu lassen.
Eine Sperre am Beginn unseres Aufstiegs ignorierten wir. Ich halte es für denkbar, dass man damit Mountainbiker daran hindern will, zum Rif Papa aufzusteigen, um durch die Gallerie wieder zum Parkplatz zurückzukehren.
Die Strada degli Scarubbi ist eine wahre Panoramastraße. Oft verläuft sie auf einem Sims am Fels entlang, durchquert gelegentlich in den Stein geschlagene Durchbrüche und windet sich dabei in langgezogenem Zickzack mit nahezu gleichbleibenden 10 Prozent Steigung hinauf zum Rifugio. Dabei ist der Untergrund zunächst fest und, was an losem Schotter herumliegt, ist nicht sonderlich grob, sodass man ganz ordentlich vorankommen kann.
Uns zermürbte allerdings die zunehmende Hitze und Johannes, der aus dem Anstieg ein Rennen machte, an dem sich außer ihm niemand beteiligte, musste an der Hütte sein restliches Bargeld in Getränke investieren.
Bereits vorher konnte man immer wieder das markante blaue Dach der Chiesa Santa Maria sehen, die nun spürbar näherrückte. Diese Kapelle thront oberhalb des Cimitero Brigata Liguria, der ein würdevoller und zugleich zutiefst trauriger Ort ist, bedenkt man, wie sehr anders die Motivation der meistens jungen Männer damals war, hierher zu kommen.
Hätte es den Krieg nicht gegeben, es wäre auch für sie ein wunderbarer Ort gewesen.
Jenseits des Posinatals konnte ich auf dem Weg hier hinauf die Seilbahnstation Costa d’Agra fotografieren, wo Schneekanonen die Geschütze des Krieges abgelöst haben.







Dieses letzte Stück bis zur Kapelle hatte es nocheinmal in sich. Nicht nur, dass es steiler wurde. Unsere Reifen mussten sich auch noch durch tiefen groben Schotter quetschen. Letztlich entschieden wir uns, zu schieben.
Nur wenige Meter oberhalb der Kapelle gelangt man auf die Seletta Commando. Hier hätte die Plackerei zu Ende sein können. Die kleinen Wellen im scheinbar ebenen Höhenprofil waren allerdings zum Teil unwegsame und giftige Ab- und Anstiege, vorbei an den Kommandostellen aus dem Krieg, und wir brauchten ordentlich Zeit und Kraft bis es jenseits der Sella del Roite endlich zuverlässig bergab ging.




Der Südwesthang des Pasubio lag inzwischen in der prallen Sonne. Bergwärts waren die widerborstigen Krüppelkiefern bis an den Pfad herangerückt und, wenn man nicht schieben wollte, wurde man von ihnen gründlich gebürstet. Einige Harzflecken zieren seitdem meinen Rucksack.
Immerhin zeigte sich bald vor uns im Tal das Rifugio Alpe Pozza, das wir schließlich nach einer kurzen, aber anspruchsvollen Abfahrt über Steine und Wurzeln durstig und mit leeren Trinkflaschen erreichten.
Hier meldete sich auch mein Handy. Hans saß irgendwo an der Eremo di San Colombano und fragte, wo wir blieben. Wir verabredeten uns in Rovereto. Dort würde er ein italienisches Eis als Zeitvertreib finden.




Nun ging es wirklich bergab. Die Strada del Pasubio wird tatsächlich auch von PkW genutzt und ist an vielen Stellen geteert. Die Abkürzungen zwischen zwei Kehren verfehlten wir meistens. Nicht unabsichtlich, schließlich wurden wir ja erwartet.






Ohne Navi unauffindbar zweigte dann unser letztes Trailstück von der Straße ab.
Für uns war es ein echter Glücksgriff. Schmal und steil und mit etlichen Kehren ging es vornehmlich durch den Wald, eine angemessene Entschädigung für die vorherige Plackerei.
Kurz vor dem Tal des Rio Orco verwandelte sich unser Trail in einen Meditationspfad und unten angekommen hatten wir alle Weihwasser in unseren Trinkflaschen.
Bei Boccaldo erreichten wir die Straße. Den Pfad am Lago di San Colombano ließen wir aus.
In Rovereto erhielten wir Nachricht von Hans. Er würde am Aussichtspunkt in Torbole auf uns warten.
In Mori bei Conad kauften wir säkulare, aber kalte Getränke. Das Thermometer zeigte 39 °C.
Der Passo Giovanni verlangte uns noch einmal alles ab.
Hans war nicht am Aussichtspunkt. Wir trafen ihn an der Sarcabrücke, kurz vor dem Wurf. Gemeinsam rollten wir die letzten 200 Meter die Sarca hinunter.







Am Gardasee waren es wohl 40 Grad, aber es gab kaltes Bier.

Hans und Olli, Johannes, Sigurd, Helmut und ich waren am Ende meiner elften Alpenüberquerung zusammen 336 Jahre alt. Trotz unserer beiden jugendlichen Pfleger waren das immer noch durchschnittlich 56 Jahre.
Vorherige Etappe | Nächste Etappe |