GPX-Daten der Etappe

Johannes musste wieder einmal etwas Luft auf sein Hinterrad pumpen. Außerdem fehlten ihm die Thunfischenzyme, denen er magische Kräfte zuschrieb.
Wir würden also in Cencenighe Algordo, am tiefsten Punkt des Tages einkaufen gehen.
Bis dort hin geht es ständig leicht bergab.


Etwa 500 Meter hinter dem Ort Masare am Südende des Sees sollte man die Hauptstraße verlassen. Man kann fast die gesamte Strecke auf einer wenig befahrenen Nebenstraße und weiter unten auf dem Rad- und Wanderweg an der Torrente Cordevole entlang zurücklegen.
Das Unwetter, das bei Caprile den ganzen Hang verwüstet hatte, war möglicherweise auch für die Zerstörungen entlang des Wildbachs verantwortlich. Das Ufer fehlte oft bis zur Mitte des Radwegs. Weiter unten war auch der Radweg fort und eine Sperre signalisierte, dass wir nur weiterkämen, wenn wir bereit wären, diese zu umfahren.

In Cencenighe Algordo zweigt das Tal der Bioise nach Westen ab. Den Weg nach Falcade kannte ich im Schlaf und so war es kein Wunder, dass wir bereits 500 Meter hinter dem schlecht beleuchteten alten Tunnel auf die Hauptstraße gerieten und dreieinhalb Kilometer lang den Lärm, den Gestank und die schamlosen Näherungsversuche des lebhaften Straßenverkehrs ertragen mussten.
Selbst 2010, als ich noch kein Garmin dabeihatte, haben wir uns hier nicht verfahren.

Die Seilbahn Moline – Le Buse – Laresei brachte uns leider nur bis Le Buse. Wir mussten also wieder zur Straße abrollen und die letzten Höhenmeter zum Passo Valles aus eigener Kraft bewältigen, ein Späßchen, besonders für Johannes, der inzwischen begann, seine Thunfischkräfte auszuspielen.

71 km/h hat mein Garmin in der folgenden Abfahrt gemessen. Obwohl die Straße auch an der steilsten Stelle kaum mehr als 10 Prozent Gefälle hat.
Wenn man nicht aufpasst, rast man an der Einfahrt ins Val Venegia vorbei.

Ein paar hundert Meter hinter dem Parkplatz weicht der Wald nach beiden Seiten zurück und man befindet sich genau an der Stelle, wo am Ende des 13. Jahrhunderts der Superlativ erfunden wurde.
Scheinbar greifbar nahe türmen sich vor einem die Pale di San Martino auf.

Es war einiges los auf dem Weg zur Baita Segantini und der Wunsch, noch mehr von dieser wunderbaren Gegend zu sehen, trieb viele Wanderer bis hinauf zur Hütte, wo wegen der Corona-Regeln natürlich kein Platz zu bekommen war.

Das Wetter, das Panorama, unsere schweren Beine und gewisse religiöse Bedenken, dem Schöpfer dieser Landschaft undankbar zu erscheinen, verboten es, einfach weiterzufahren.

Schließlich siegte der Hunger.

Das Schild, das uns die Einfahrt in den Trail zum Passo Rolle untersagte, wollten wir eigentlich ignorieren. Aus Rücksicht den vielen Wanderern gegenüber, von denen der ein oder andere auch ein Ranger hätte sein können, blieben wir auf dem gut befestigten Fahrweg, der aber auch viel Spaß machte.

Am Passo Rolle gibt es etwa 10 Häuser. Ungefähr zehn davon sind Ristorante oder Bars. Wir blieben im Biergarten der Cimon-Stube, ahnend, dass es da einfach am besten schmecken würde. Wir hatten leckere Sandwiches und kaltes Weizenbier. Ein Traum!

Es war nicht ganz klar, ob der Pfad zu den Laghi di Colbricon für Radfahrer gesperrt sein würde. Ein deutliches Schild an dessen Anfang beseitigte aber alle Unklarheiten.
Es hilft ein wenig, zu glauben, dass man der Klügere ist, wenn man nur nachgibt. Also schoben wir durch einen wunderschönen Wald, über viele Felsplatten und einige kleine Stege, begegneten dabei vielen Spaziergängern ohne mit unseren Rädern die Harmonie dieses Ortes zu stören.

Hinter den Seen hätten wir womöglich wieder fahren dürfen. Hier machte uns aber das Gelände und der Untergrund einen Strich durch die Rechnung. Bis der Trail wirklich zum Trail wurde, schoben oder trugen wir die Bikes über dicke, kantige Steinbrocken, durch schmale Einschnitte und steil über grobes, loses Geröll.
Der Trail neben der Passstraße nach San Martino wäre doch der bessere Weg gewesen.

Immerhin kamen wir praktisch ohne Gegenanstieg zur Talstation der Tognola – Seilbahn. Auf dem letzten Stück ging es sogar noch einmal ordentlich bergab.
Ein etwas seitlich orientierter Teil von Johannes‘ Wahrnehmung verhakte sich hier in den Einstieg zum untersten kurzen Abschnitt des Tognola DH Due-Trails und hätte er nicht eine Vollbremsung hingelegt, es hätte ihm wahrscheinlich die Seele aus dem Leib gerissen.
Nur wenige Sekunden nach uns, aber mit einem seligen Lächeln, wie es bei ihm sonst nur Kaiserschmarrn oder Forst-Bier hervorruft, erreichte auch er die Seilbahnstation.

Über den oberen Teil der Abfahrt nach Caoria hatte ich gelesen, dass vieles davon nicht fahrbar wäre. Es muss ein Rennradforum gewesen sein.
Wir sind alles gefahren!
Und es hat einen Heidenspaß gemacht. Wir bekamen Wiesentrails geboten, mit groben Steinplatten befestigte Pfade, lange Holzstege über morastigen Boden und steile Abfahrten mit scharfen Kehren auf weichem Waldboden zwischen Bäumen und felsigen Böschungen.
Wenn man schließlich auf die Forststraße kommt, hat man immer noch 700 Höhenmeter vor sich. Bergab!
Kurz vor dem Ort kann man die Straße noch einmal für einen empfehlenswerten, technisch anspruchsvollen Trail verlassen.
Von San Martino nach Caoria, zum Rif Refavaie oder den Cinque Croci kann ich jedem diese Tognola-Variante nur empfehlen.

Das Albergo Al Pin in Caoria erwartete uns mit Sonnenschein, einem gemütlichen Biergarten, einem Wasserschlauch für unsere Bikes und kaltem Bier für deren Besitzer.
Als wir bereits glaubten, besser könnte es nicht mehr werden, bekamen wir ein unglaublich leckeres Abendessen serviert.
Unsere Zweibettzimmer hatten weit voneinander stehende Einzelbetten und Hans und ich genossen es, nicht neben einem schnarchenden Bruder schlafen zu müssen.
Ein Luxus, der Olli und Johannes entging, schnarchte doch keiner von beiden.

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