









Wir hatten schönes Wetter und einen Plan. Heute würde es am Westhang der Cima Bleis entlang zur Montozzoscharte gehen. Die Auffahrt zum Passo Tonale sollte uns den langen und mühsamen Anstieg von Case di Viso zur Scharte ersparen.
Die Bilanz ist für diese Variante jedoch nur vorteilhaft, wenn man die Anfahrt von Ponte di Legno zu den Case di Viso mit einrechnet. Dazu kommt, dass man für die steilsten Passagen von Case di Viso aus einen eisernen Willen, vom Passo Tonale aus aber Antigravitation benötigt.
Das erste Steilstück noch im Bereich der Liftanlagen des Skiorts kann man mit Mühe auch im Sattel überwinden. Es ist aber nur das Warming-Up für eine brutal steile Rampe, die man nach einem kurzen Abschnitt mit leichtem Gefälle erreicht.
Ein Kilometer mit durchschnittlich 20% Steigung bedeutete 200 Höhenmeter in einer ausgewaschenen Rinne, zu schmal für Rad und Füße gleichzeitig.
Der Weg stellte selbst das Licht vor erhebliche Probleme. Nur noch Grautöne entkamen dem Tal unter uns und von den Zwillingen hinter mir war nichts mehr zu sehen.
Irgendwann ist man oben, das Gehirn erhält wieder einen angemessenen Anteil am spärlich vorhandenen Sauerstoff und identifiziert das immer noch herumlungernde Grau als Nebel oder, wir sich herausstellt als Innereien einer teilnahmslosen Wolke.
Sobald man das Skigebiet verlassen hat, verwandelt sich der Fahrweg in einen Pfad. Sein Name „Camos tra Alpeggi e Trincee“, „zwischen Almen und Schützengräben“ erinnert daran, dass man zum Gardasee nur gelangt, wenn man die Fronten des Ersten Weltkriegs überquert.
Oben, am Rifugio Bozzi und an der Scharte selbst, sind die Gräben noch erhalten und ein Mahnmal gegen das Europa der Nationen, das heute wieder leichtfertig propagiert wird.














Unser Weg wurde dem Almenteil seines Namens eher gerecht.
Von einer Almhütte unterwegs waren nur noch Reste der umfassenden Mauern übrig. Der Pfad führt durch den Vordereingang hinein und rückwärtig wieder hinaus.
Das Adamellomassiv mit seinen Bergriesen wanderte langsam aus dem Blickfeld.
Der Talboden und selbst die Wolken senkten sich scheinbar immer tiefer nach unten.
Gelegentlich gestatteten sie einen Blick ins Valle delle Messi, dass sich von Ponte di Legno nach Norden zum Gaviapass zieht.
Der Berg gibt die zum Teil brutal steilen 200 Höhenmetern des Anstiegs scheinbar großzügig zurück. Auf griffigem Singletrail und mit spektakulären Fern- und Tiefblicken vergisst man leicht, dass jeder vernichtete Höhenmeter auf dem Weg zur Montozzoscharte mühsam zurückgeholt werden muss.
Es wird aber nicht mehr so steil wie zuvor und würden einen nicht hier und da kantige Steinbrocken ausbremsen, brauchte man bis zum Rifugio Bozzi vermutlich auch nicht mehr schieben.






Erstens: Man muss unendlich dankbar sein, dass in dieser Höhe und in dieser wunderbaren Gegend jemand bereit ist, eine Hütte zu betreiben und dem müden Wanderer oder Biker Speisen und Getränke zu servieren.
Zweitens: Die Preise für ein einfaches Nudelgericht sind durch den Aufwand, Personal und Zutaten hier hinauf zu befördern, sicher gerechtfertigt. Ärgerlich war für uns, dass wir für 13,50 € plus Coperto jeder nur eine halbe Kinderportion auf unseren Tellern vorfanden. Ich zahle gerne auch noch etwas mehr, möchte aber nach einem anstrengenden Anstieg auch gerne satt werden.
Unterhalb des Riugio liegt ein kleiner Teich, für halbwegs geübte Werfer genau einen Steinwurf entfernt. Jenseits dieses Teiches müht sich ein grober Weg zur Scharte hinauf. Wir beobachteten Bio- und E-Biker, wie sie nacheinander an diesem Anstieg scheiterten.
Ollis Ehrgeiz war geweckt und seine Mutmaßung, dass das doch irgendwie fahrbar wäre, waren ein Frontalangriff auf mein Ego, hatte ich doch bereits 2012 und 2018 vor dem Ansteig kapitulieren müssen.
Olli war gerade Bauherr und als ich ihm schließlich anbot, die Kosten für sein Haus zu übernehmen, wenn er es bis zur Passhöhe schaffte, wich sein Optimismus einer unerschütterlichen Entschlossenheit.
Mein Risiko bei dieser Wette? Eigentlich war ich 100% sicher, zu gewinnen. Erste Selbstzweifel reduzierten meine Gewissheit auf 99,9%.
Grobe Schätzung: 99,9 % mal 0 € Gewinn plus 0,1% mal 500000 € Verlust ergeben einen Erwartungswert von 500 € Verlust pro Versuch für mich.
Es gab nur einen Versuch …
Olli nahm tüchtig Anlauf, kurbelte mit hoher Frequenz und kam genau bis zur ersten Rechtskurve. Das waren etwa sieben der insgesamt 140 Höhenmeter.













Bei meinem Ersten Besuch auf diesem Berg kamen uns einige Biker von Osten her entgegen und einer von denen ermunterte uns „Kette rechts und los geht’s“.
Das hatte damals nicht funktioniert und nun, neun Jahre später wieder nicht.
Eine schwierige Abfahrt ist immer auch eine Kopfsache. Passagen, die ich vor drei Jahren bewältigen konnte, waren für mich dieses Mal nicht fahrbar. Andere bin ich vielleicht gefahren, nachdem ich das Risiko bei meinem dritten Versuch nun besser einschätzen konnte.
Egal: Ein tolles Erlebnis ist der Montozzotrail allemal.
Angeblich ist ein Teil der von uns gefahrene Route seit einiger Zeit mit einem Bikeverbot belegt. Etwa auf halber Strecke zwischen Scharte und Stausee muss man wohl nach Norden auf den 111er zum westlichen Ende des Sees hinunter und bis zur Staumauer am See entlang fahren.
Beide Wege, 111 und 111B sind laut Komoot vergleichbar schwierig.
Wir sind ohne Hinweis auf ein Verbot auf dem Weg nach Osten geblieben und keiner der Wanderer, die uns nicht begegnet sind, hat sich darüber beklagt.


Südlich der Torrente Noce Nero führt ein schöner Trail zum Forte Barba di Fiori, der nach etwa vier Kilometern auf die Straße nach Peio Fonti trifft. Leider gibt es auf diesem Trail einen unangenehmen Gegenanstieg und so sind wir auf der Nordseite des Baches und auf Teer geblieben.
Mit durchschnittlich 7% Gefälle und einigen Kurven ist man als Biker durchaus in der Lage, mit dem rollenden Pkw-Verkehr Schritt zu halten. Ein Jeep gab irgendwann entnervt auf und ließ uns passieren.
Ab Cogolo befindet man sich auf dem Radweg nach Fucine und nach weiteren 13 km auf dem Val di Sole Radweg erreicht man Dimaro.
Wir übernachteten im gemütlichen Kaiserkrone-Charming-Retreat, von dem ich keine Website, aber eine gute Meinung habe.
Abendbrot hatten wir im Biergarten im Locanda da Elisa.