GPX-Daten der Etappe

Philipp war die ganze Nacht über unruhig. Unsere ansonsten gemütliche Nacht im geräumigen Bettenlager wurde wiederholt durch von Selbstmitleid triefenden Stoßseufzern aus seiner Ecke des Schlafsaals gestört.
Natürlich hatte er morgens keine Erinnerung mehr daran, beim Frühstück wurde jedoch klar, dass ihm die ganze Nacht durch den Kopf ging, was am Abend zuvor nicht mehr in seinen Magen ging.
Eine Freundin der Hüttenbesitzer, die gestern das Thema Kaiserschmarrn zur Sprache gebracht hatte, musste sich wohl auch eine ganze Nacht mit Philipps ungestillter Sehnsucht herumgeschlagen haben. Zum Frühstück bekam er jedenfalls eine Riesenportion des besten Kaiserschmarrns im ganzen Sonnensystem und dazu, wie es sich für einen Kindergeburtstag gehört, ein standesgemäßes Tischfeuerwerk.

Die Simmeringalm liegt 1820 Meter über dem Meeresspiegel, also deutlich dichter am Himmel als an den Niederungen unseres Alltags, und hier oben sind die Menschen nun mal so …

Der Luftdruck musste schlagartig gestiegen sein, als wir nicht lange nach unserem Aufbruch zu zwei Wanderern auf dem Hamersteig aufschlossen. Anhand deren Freundlichkeit schätzte ich unsere Höhe noch auf allenfalls 150 m ü.NN.
Dieser Steig und der Pfad, in den er später mündete, waren für uns die einzige Möglichkeit, zur Galgenmure, wie sie auf der Karte heißt, zu gelangen.
Fahren war wegen der vielen Hindernisse auf dem Weg praktisch nicht möglich. Immerhin holten wir aber auf kurzen Rollpassagen auf und irgendwann versperrte uns die Dame den Weg, sodass es ein wenig Geschick erforderte, an ihr vorbeizukommen. Sie muss wohl Grundschulleiterin gewesen sein, wie wir aus ihren Erziehungsbemühungen schlussfolgerten. Der Wanderer, mit dem sie unterwegs war, kam nicht zu Wort. Es war also ihr Mann.

Immer, wenn sich eine Gelegenheit ergab, schlüpfte einer von uns gründlich gemaßregelt an den beiden vorbei. Ein Abgleich der individuellen Schmähungen ergab schließlich, dass wir, des Lesens nicht mächtige, schlecht erzogene und rücksichtslose Menschen seien, die den Frieden und die Unberührtheit der Natur mit Füßen träten.
Wir empfanden das als ein wenig ungerecht. Erstens, weil es nicht stimmte und zweitens, weil es undankbar war. Wie konnte ausgerechnet sie, die wir bereit gewesen wären, aus jeder Bergnot zu retten, unsere tadellose Gesinnung übersehen und geringschätzen?
Von Zeit zu Zeit hörten wir hinter uns noch Klagen über Dohlen, die die Mindestflughöhe missachteten.

Irgendwann gab es eine scharfe Abzweigung talwärts und nun konnte man fahren. Auf festem Waldboden, oft über Wurzeln und nur gelegentlich über einige steinige Passagen besserte sich unsere Laune mit jeder Radumdrehung. Schließlich ließen wir die Bäume hinter uns und erreichten das breite Schotterfeld. Tief unten erwartete uns der Inn.

Das erste Stück des Weges war abgerutscht. Erstaunlich war, warum es der Rest des Hanges nicht auch tat.
Die Steine auf dem Pfad durch die Mure werden von der Talseite zur Bergseite hin immer kleiner. Alles bewegt sich unter den Reifen, wenn man darüber hinwegrollt und man muss ständig gegen diese Drift ansteuern.
Auf der Bergseite des Weges ist die natürlich kleiner, weil das feinere Material nicht so heftige Seitwärtsbewegungen verursachen kann. Die richtige Fahrtechnik ist ein Zusammenspiel aus Glück, höchster Konzentration und guten Nerven.

Ollis Glück war einen kleinen Moment unachtsam. Eine kleine Gruppe schwindsüchtiger Kiefern bremste glücklicherweise seinen Sturz und fing sein Fahrrad auf.

Nach nur drei Kehren ist man aus dem schwierigsten Teil der Mure wieder heraus und die sich langsam ausbreitende Vegetation hält den Boden unter den Rädern zusammen.

Johannes und Philipp hatten einen Termin beim Corona-Testzentrum in Zams. Sicherheitshalber gaben wir also Gas und nach 75 Minuten und 28 km waren wir rechtzeitig dort.

Den Abschnitt von Haiming nach Imst hätte man auch etwas genießen können. Das restliche Stück nach Landeck verläuft oft dicht an der Autobahn oder durch Gewerbegebiete und eignet sich nur, um schnell Strecke zu machen.

In der prallen Sonne und auf Teer gelangten wir von Landeck über Tobadill und Vorgiggl nach Giggl, wo man die Straße verlässt. Noch einmal 500 Meter auf einem schmalen Wiesenpfad und über zwei Gebirgsbäche und man hat den höchsten Punkt vor der Abfahrt auf dem Tobadill-Trail, wie er bei OSM heißt, erreicht.

Nach einer kräftigen Mittagsmahlzeit mit schweren Beinen in der brütenden Sonne erschien uns der Anstieg zermürbend steil. Ein Blick auf die Zahlen korrigiert diesen Eindruck und rechtfertigt auch im Nachhinein noch diesen Umweg.
Die Straße selbst ist nur wenig befahren und das Panorama gibt sich schon gehörig Mühe.
2012 wollten wir den Anstieg vermeiden und mussten am Ende auf der Bundesstraße durch den Tunnel.

Der Tobadill-Trail beginnt mit einem kurzen steilen Einstieg auf zunächst noch unsicherem Waldboden. Schnell wird es aber flacher und der Pfad griffig, wenn auch oft ausgesetzt, mit bereits bedenklichen Sturzmöglichkeiten in die unterhalb wartenden Bäumchen.

Nach zwei Kilometern endet der Spaß in einem Wiesenweg am Örtchen Gries.
Zwei Minuten weiter unten liegt See, mit seinem einladenden Schwimmteich und einer strategisch günstig gelegenen Einkaufsmöglichkeit an der hektisch lärmenden Bundesstraße.

Der Zentralalpenweg 2 oder Paznauner Talweg verläuft am Hang nördlich der Trisanna und weit genug von der Straße entfernt. Der Namensgeber hat diesen Weg aus den unterschiedlichsten Abschnitten zusammengebastelt. Es geht über Pfade, oft auch geteerten Wirtschaftswegen und auf Seitenstraßen durch Wald, Wiese, über Höfe und durch Dörfer. Immer wieder gibt es kurze Abfahrten, für die man zuverlässig mit einem umso größeren, manchmal auch steilen Gegenanstieg bezahlen muss.

In Ischgl hat man schließlich 400 Höhenmeter überwunden, von denen 100 auf Kosten dieser Abfahrten gehen.
Trotzdem ist es ein schöner Weg, mit vielen Stegen und vorbei an einigen Wasserfällen, dessen Ansehen in unserem Fall ein wenig darunter litt, dass uns die Hitze und ein inzwischen langer Tag auf dem Rad in den Knochen steckte.

In Ischgl übernachteten wir wieder im Hotel Garni Siegele. Nette Wirtsleute, gute Zimmer und ein tolles Frühstück machen es mir leicht, dieses Hotel weiterzuempfehlen.

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