
Das Frühstück ließ keine Wünsche offen. Das Rifugio al Lago del Mortirolo lag zwar etwas unterhalb des Passes und verursachte uns einige zusätzliche Höhenmeter, war aber trotzdem ein Glücksgriff. Im Rif. Antonioli auf der anderen Seite des Passes hätten wir italienisches Frühstück mit abgepacktem Gebäck und Marmelade oder Honig bekommen…
Als wir am Passo della Foppa auf die bei Komoot zurecht so genannte Panoramastraße, einem Balkon oberhalb des Valtellina, abbogen, hatten wir unsere optimale Betriebstemperatur erreicht.
Das Szenario unter uns wanderte bedächtig nach Nordosten.
Tirano und das Tal des Poschiavino kamen immer näher und jenseits der Berge von Tirano konnte man die schnee- und eisbedeckten Gipfel der Berninagruppe erkennen. Die größte Eisfläche gehört zum Gletscher des 4000 m hohen Piz Palü.






Nur unmerklich steigt die Straße an. Erst auf den letzten beiden Kilometern vor ihrem höchsten Punkt fordern die Pedale ein wenig mehr Zuwendung.
Autofahrer sahen wir kaum. Und wenn, genossen sie wie wir die Aussicht und stoppten bereitwillig, um uns vorbei zu lassen.
Durch zwei Wellen im Höhenprofil arbeiteten wir uns hinüber auf die Südseite des Bergrückens. Statt des Valtellina sieht man nun das Skigebiet oberhalb des Ortes Aprica.
Die zwischenzeitlich unbefestigten Wirtschaftswege waren wieder geteert, Ristorante tauchten am Wegrand auf und Parkplätze für die Ausflügler waren ordentlich gefüllt.
Wir wollten den Valentina-Trail nach Aprica fahren und mussten daher noch einen kleinen Anstieg in kauf nehmen.


Der Trail ist 1,5 km lang und hat einige durchaus anspruchsvolle Abschnitte.
Es war Freitag und Markttag in Aprica. Der Ort war voll. Man musste tatsächlich warten, um über die Straße zu kommen. Nur schnell etwas Proviant einkaufen und nichts wie weg …
Die Magnolta-Seilbahn war außer Betrieb. 660 Höhenmeter sollte sie uns ersparen …
Wir entschieden uns, stattdessen mit der Palabione-Seilbahn wenigstens einen Teil des Höhenunterschieds zu vermeiden.
Die Querung zur Malga Magnolta hinüber ist über weite Abschnitte nicht fahrbar und kostete uns in der Bilanz 260 Höhenmeter mit sehr eingeschränktem Spaßfaktor.
Alpi Orobie ist die italienische Bezeichnung für die Bergamasker Alpen.
Hinter der Magnoltahütte ist man auf der Gran Via delle Orobie, einem Pfad, den wir von unserer Alpenüberquerung 2013 in schlechter Erinnerung hatten.
Auf der Karte schmeichelte er sich mit sehr moderaten Steigungen ein, bot aber in der Realität eine so schlechte Beschaffenheit, dass man kaum ein Paar Meter durchgängig fahren konnte.
Offenbar hatte man das mit einigem Aufwand geändert. Das suggerierte zumindest ein Video bei Youtube mit geradezu euphorischen Bikern auf einem beinahe perfekt hergerichteten Trail.
Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die Wahrheit lag deutlich näher am Youtube-Video als an unseren damaligen Erfahrungen.
Kurz hinter der Malga Magnolta gibt es zwei Stellen, wo man mit einem schmalen Pfad jeweils ein Beule im Hauptweg umgehen kann. Die erste davon haben wir leider erleben dürfen. Man glaubt, für den Gegenanstieg Schwung nehmen zu können. Für die rund 60 Höhenmeter brauchte man wohl etwa 120 km/h.
Wenn man dieses Ziel verfehlt, so wie wir, bedeutet das 38 % Steigung. Viel Spaß!




Es gibt noch eine Malga Magnola. Ein Treffpunkt widerspenstiger Rinder, die uns in eine Diskussion über das Wegerecht in dieser Gegend verstricken wollten.
Man muss ein wenig schwindelfrei sein, wenn man auf den ausgesetzten Wegen an den mitunter sehr steilen Hängen im Sattel bleiben will.
Geradezu halsbrecherisch sieht es dann auf den Bildsequenzen aus, die Olli mit dem Weitwinkelobjektiv seiner GoPro aufgezeichnet hat.
Auf einem etwas steileren Abschnitt mit zwei Kehren haben wir es uns nicht nehmen lassen, auch wieder einmal ein Paar Meter zu schieben. Davon abgesehen konnten wir tatsächlich bis zum Venerocolo das Bilderbuchpanorama und den bereits erwähnten Nervenkitzel im Sattel erleben. Probiert es einfach aus!












Am Ende haben wir für die 13 km etwas mehr als zwei Stunden gebraucht. 2013 waren es mehr als viereinhalb.
Wir hatten ein wenig Zeit und so konnte ich einige Aufnahmen mit der Drohne machen. So sind die Bilder vom Pass oben und von dem kleinen See auf der Südseite des Passes unten entstanden.


Höhenmeter sind nicht alles!
Man kann vom Passo Venerocolo über den Passo del Gatto und den Passo del Vivione einige Meter gegenüber der Abfahrt nach Schilpario und dem nun etwas längeren Anstieg zum Passo di Campelli einsparen.
Trotz des also günstigeren Profils empfehle ich dringend den Weg über Schilpario.
Wir haben 2013 unsere Bikes nur auf den letzten Kilometern vor dem Vivione bestimmungsgemäß verwenden können. Der Rest war Tragen, Schieben und Verwünschen.
Der Trail nach Schilpario erhält von Komoot ein S3 und wird in den Beschreibungen, die ich gefunden habe, als Schiebepassage mit wenigen fahrbaren Abschnitten dargestellt.
Das Gegenteil ist der Fall.
Im oberen Teil wurde der Pfad zur Talseite durch eine ordentliche Trockenmauer aus großen Natursteinen und Platten abgestützt. Wenn auch der eigentliche Weg durch Geröll und Furchen oft kaum befahrbar ist, kann man doch mit ein wenig Mut auf der Mauerkrone fahren.
Dort, wo der Hang flacher wird, hat man es mit einem rauen Trail zu tun, der schon etwas Geschick erfordert, mit der robusten Ausstattung eines All-Mountain- oder Endurobikes aber kein allzu großes Problem darstellt.







In der Abfahrt kam uns eine Gruppe Motorradfahrer entgegen, die mit ihren Crossmaschinen offenbar den gesamten Trail vom Tal bis zum Pass fahren konnten.
Die größte Schwierigkeit für uns war das Geröll, zum Teil fußballgroße Steinbrocken, das aber mit der zunehmenden Vegetation im Laufe der Abfahrt immer mehr verschwindet.
Dem S3 von Komoot würde ich an einigen Stellen zustimmen, nicht aber für den gesamten Weg.
Wir haben für gut 9 Kilometer etwa 1 Stunde 20 gebraucht, kein Downhillrennen, aber eine technisch und landschaftlich attraktive Abfahrt, die ich gerne weiterempfehle.
In Schilpario sind wir im Casa del Ferie „Regina dei Monti“ untergekommen, einem christlich geführten Haus, in dem Kinder mit oder ohne ihre Familien Ferien in den Bergen machen können.
Der „Manager“ übte sein Amt während seiner eigenen Urlaubszeit ehrenamtlich aus und war überrascht, dass die Hausverwaltung uns Zimmer angeboten hatte.
Wir hatten eine Etagendusche/WC und Stockbetten, also alles, was man an Luxus bei einer Transalp benötigt. ( … und das meine ich ernst!)