

Die Wege waren noch nass und die Luft ungemütlich kühl. Die Wolkendecke wurde jedoch brüchig und mit ein wenig Phantasie konnte man die Sonne dahinter erahnen.
Wir starteten auf 1820 m. Das entschuldigte die Temperatur.
Unser Weg würde uns durch das Val S-Charl zum Passo Costainas führen, dem ersten der beiden beinahe gleich hohen Gipfel des Tages.
Der Bach Clemgia, den wir bereits Tags zuvor kennengelernt haben, entspringt kurz unterhalb des Costainas und unsere Route folgt praktisch dem Bachlauf.






Die Sonne zeigte sich, die Berggipfel rings umher wurden sichtbar, einige mit frischem Puderzucker bestreut, der aber im Laufe des Vormittags verschwand.
Wir waren gemütlich unterwegs, genossen das Licht und die Landschaft und erreichten trotzdem nach etwas mehr als einer Stunde die Passhöhe.
Überall waren Rinder mit der Rasenpflege beschäftigt, nach Besitzer oder Geschlecht meistens durch Elektrozäune voneinander getrennt.
An die Elektroviehschranken oder Weideruten hat man sich schnell gewöhnt. Etwas Überwindung kosten die Bogenrampen, die man in dieser Gegend häufig antrifft, die aber bei Trockenheit sehr gut überfahren werden können.




Ich hatte meine Drohne im Gepäck und heute bot sich zum ersten Mal die Gelegenheit, damit einige Filmaufnahmen zu machen. Für das Video, dass ich nach unseren Touren aus dem Bild- und Filmmaterial zusammenstelle ist das eine echte Bereicherung.
Vom Passo Costainas ins Val Mustair folgten wir hauptsächlich der Wegführung eines „Nationalpark-Bikemarathons“.
Zunächst sachte auf schmalen Pfaden aus verdichtetem Boden, geht der Track bald in einen breiteren und zunächst sehr steilen Fahrweg auf felsigem Untergrund über.
Man ist nun auf der Via Alp Champatsch, über die die westlich des Costainas gelegene Alm aus dem Val Mustair versorgt wird,
Ein flowiger Singletrail kurz vor dem Ort Lu ist eine empfehlenswerte Alternative zum breit angelegten Fahrweg der Marathonstrecke .




Vom tiefsten Punkt des Tages bei Valchava bis zum Döss Radond sind es knapp 8 km und fast 700 Höhenmeter. Man kann das alles fahren, aber man muss nicht. Zwischendrin gibt es einen Abschnitt von 2 km mit konstant 11,3% Steigung. Hier kann man durchaus der umgebenden Landschaft die gebührende Aufmerksamkeit erweisen und die Eindrücke fotografisch konservieren. Kein vorbei kommender Biker oder Wanderer wird das als Schwäche interpretieren.



Die Sonne blieb uns den Rest des Tages treu, so richtig warm wurde es jedoch nicht.
Die dünne Luft auf dem Döss Radond brachte einen erstaunlich starken Wind zustande.
Wir versteckten uns auf der Leeseite der Schutzhütte, gegenüber der Trinkwasserstelle für Wanderer und Radfahrer. Einige Rinder mussten das für einen guten Einfall gehalten haben und gesellten sich zu uns. Möglicherweise ist „Wie schmeckt das?“ ein zentrales Thema der bovinen Existenz. Jedenfalls begannen sie, unsere Bikes abzulecken und der Regen, der Handgriffe und Sättel von den Schleimhautsekreten befreit hätte, gehörte der Vergangenheit an.
Ein Grund mehr, nie ohne Radhandschuhe zu fahren.




Gut 5 Kilometer hinter dem Pass zweigt der Trail ins Val Mora von der festen Schotterpiste ab. Man ist immer noch in nordwestlicher Richtung, was für uns gegen den Wind bedeutete, unterwegs.




Das Tal wird allerdings enger und auch die niedrigen Bäume bieten etwas Schutz.
Wenn man auf dem Holzsteg den Bach Aua da Val Mora überquert, ist man bereits in südlicher Richtung unterwegs und beginnt auch der interessanteste Teil der Abfahrt. Auf einem schmalen Streifen im losen Geröll, oft mit Holzplanken oder Balken abgestützt, folgen steile Anstiege auf steile Abfahrten, immer nur einige Dutzend Meter lang. Wenn man sich traut, kann man aus den Abfahrten genügend Schwung mitnehmen und überwindet die Anstiege mit etwas Pedalunterstützung im Sattel.



Sobald man den Dreh heraushat,wechselt der Trail, immer noch schön, aber nun beinahe eben und ohne artistischen Anspruch, in einen niedrigen Föhrenwald.
Gleichzeitig hat man auch die Grenze zu Italien überschritten.
Kurz vor dem oberen der beiden Stauseen, dem Lago di San Giaccomo. durchfährt man das Bachbett der unscheinbaren Torrente Val Paolaccia, deren Wasser sich irgendwo unter dem riesigen Geröllfeld, das sie im Laufe der Jahre aus den Bergen hierher transportiert hat, auf dem Weg zur Torrente del Gallo und dem Wurmfortsatz des Livignostausees befindet.
Wasser, Vegetation und Berge mit und ohne Gletscher bildeten zusammen mit dem blauen Himmel eine traumhafte Kulisse an den Laghi di Fraele.
Man befindet sich immer noch 1900 m über dem Meer. Die kurz unterhalb des Passo Alpisella entspringende Adda, der viertlängste Fluss Italiens, fließt durch die beiden Stauseen nach Bormio.
Hinter den 3000ern im Norden liegen der Döss Radond und das Val Mora.
Nach Osten blickt man über die Staumauern zu den Gletschern des Ortlermassivs.
Wenn man genau hinsieht, kann man links davon, über dem Valle Forcola das Zick-Zack des Pedenolotrails erkennen.









Unser Etappenziel war die Pensione Villa Valania, wo wir gut untergebracht und versorgt wurden.