
Der Regen der vergangenen Tage hatte allen Staub aus der Luft gewaschen.
Meine Königsetappe begann mit klarer Fernsicht und kobaltblauem Himmel. Im Süden erhoben sich die ersten Botschafter der Hohen Tauern, noch grün bis unter die Gipfel aber immerhin bereits bis zu 2700 m hoch.
Bis nach Fusch gab es einen Radweg neben der Straße und 7 km Fahrstrecke bis zur Embachkapelle bescherten mir nicht mehr als 80 Höhenmeter.
Ich sollte keinen Grund haben, mich darüber zu beklagen, 1260 Höhenmeter lagen mit den nächsten 13 km vor mir, hier und da nur mäßig steil, dafür aber auch immer wieder kräftezehrende Rampen mit mehr als 13%.
Mein Tipp für den Anstieg: Stellt die sportliche Herausforderung hintenan. Es gibt so viel zu sehen, zu bestaunen. Lasst Euch beeindrucken!



Das Fuscher Tal ändert ein klein wenig die Richtung und schon geraten die ersten Dreitausender ins Blickfeld.






Bei Ferleiten verlässt man den Talboden. Der Walcher Bach am gegenüberliegenden Hang beeindruckt mit zwei imposanten Wasserfällen auf seinem Weg zur Fuscher Ache. Es gibt da einen Wasserfallerlebnispfad, wenn Ihr mal ein Paar Tage hier verbringen wollt.
Die Straße war inzwischen zum Leben erwacht und das trotz saftiger Mautgebühren. Ein Pkw kostet 46,50 € ein Motorrad nur 36,50 €.
Manchmal gab es zwei Spuren für den Bergaufverkehr. Dann konnte man ein wenig Aufmerksamkeit für die Umgebung abzweigen. Es fanden sich aber auch überall Haltebuchten, zum Teil mit Informationstafeln. Ich machte reichlich Gebrauch davon und kam entsprechend langsam voran. Allerdings begegnete ich an jeder Haltebucht immer wieder den selben Radfahrern, oft Gravelbikern mit leichtem Gepäck und machte mir zu Recht keine Sorgen um mein Tempo.
Anders als beim Mortirolo sind die Kehren bis zum Fuscher Törl aufsteigend durchnummeriert.
Hinter der Kehre 4 am Gasthof Piffkar machte ich eine Müsliriegelpause. Etwas pessimistischere Biker füllten auch ihre Flaschen an der Trinkwasserquelle auf.
Ich hatte noch eine ganze Flasche und ersparte mir lieber das Gewicht. In meinem Alter lernt man nicht mehr so schnell…
Sonne, Luftdruck und Anstrengung leerten meinen Wasservorrat und weitere Trinkbrunnen zogen sich tief ins Hinterland zurück.
Am Wilfried-Haslauer-Haus traute ich mich nicht, für möglicherweise kontaminiertes Wasser in einer Toilette mein Fahrrad unbewacht zu lassen.



Der Straßenverkehr begann Stress zu verursachen. Die allermeisten Auto- oder Motorradfahrer genossen wie ich das Bergpanorama. Für einige war die gewundene Hochgebirgsstraße aber auch Gelegenheit, mit PS und Fahrgeschick zu protzen. Einen Radfahrer kann man auch bei Gegenverkehr noch sicher überholen, wenigstens im Auto.
Am Fuscher Törl war die Hölle los. Ich würde sicher bald eine bessere Tankstelle finden. Ein wenig war ich auch durch das Panorama abgelenkt.
Zum ersten Mal konnte ich den Großglockner sehen, etwas unscheinbar hinter dem vermeintlich mächtigeren aber mehr als 500 m niedrigeren Sinnwelleck.
Am höchsten Punkt, meiner ersten Bergwertung des Tages, höchste Kategorie, hat man zu Ehren der Erbauer und besonders der Opfer der Großglocknerhochalpenstraße ein Denkmal errichtet. Die Inschrift, zu deutsch „Die Steine der Erde verkünden deinen Ruhm“, muss die Nazis wohl gestört haben. Während ihrer 1000jährigen Herrschaft über Österreich wurde sie durch „Diese herrliche Bergwelt brachte ÖSTERREICH dem deutschen Vaterlande am 13. März 1938 als MORGENGABE mit“, ersetzt. (Salzburg-Wiki)








Ein Thermometer am Toilettengebäude signalisierte 8°C. Das war nur objektiv kalt. Noch fror ich nicht und auch die kurze Abfahrt (160 hm) zur Fuscher Lacke, das soll wohl Lache heißen, änderte nichts daran.
Noch 250 hm bergauf, durch zwei Tunnel und ich war in Kärnten, 13°C.
Die Tunnel waren kein Problem. Als meine Fahrtrichtung frei war, beanspruchte ich meine ganze Straßenseite, damit mich niemand bei Gegenverkehr überholt. 100 Meter Geduld kann man einem Autofahrer schon ‚mal zumuten.
Kärnten erwartete mich mit einem Imbiss. Kalte Getränke in Sichtweite zu meinem Fahrrad, eine sonnige Sitzgelegenheit im Windschatten. Ich erwog kurz, eine bessere Gelegenheit abzuwarten.




Autos sind die Pest: Bergauf fahren sie zu schnell, bergab zu langsam. Und anders als im Sport findet man die langsamsten nicht am Ende sondern an der Spitze des Feldes. Ich holte ein paarmal aus, einen der sportlichen Fahrer am Ende der Schlange zu überholen, immer genau in dem Moment, in dem er den selben Gedanken umsetzen wollte.
Irgendwann zweigte die Gletscherstraße zur Franz-Josefs-Höhe ab. Die meisten Pkw blieben auf der Glocknerstraße und die, die mit mir abbogen, zogen im leichten Gegenanstieg rasch davon.
Egal, nur 600 m weiter beginnt die alte Großglocknerstraße, ein meistens gut befestigter Wirtschaftsweg, ab der halben Strecke nach Heiligenblut sogar geteert.
Plötzlich ist man mit seinem Fahrrad wieder allein. Es riecht besser, hört sich besser an und sieht sogar besser aus – nicht das Fahrrad!



Heiligenblut ist ein Dorf, etwa so lang wie der Bremsweg meines Bikes. Der Name bezieht sich auf eine Heiligenerzählung, in der es unter anderem um ein untotes Wadenbein geht. Der Ort hat eine eigene Website und bietet zu allen Jahreszeiten sportliche und touristische Attraktionen.
Die Pfarrkirche vor dem Gipfel des Großglockner habe ich etwa hundert Mal fotografiert und die Stimmung dieses Bildes habe ich irgendwo neben anderen bewegenden Momenten abgespeichert.






Wenn jemand gefragt hätte, wohin meine diesjährige Tour geht, hätte ich mit „Heiligenblut“ geantwortet.
So gesehen hatte ich nun alles erledigt und musste nur noch nach hause kommen…
Parallel zur B107 verläuft ein Radweg. Es geht immer leicht bergab und etwa 20 Kilometer lang hat man das Gefühl, zum Ziel noch gemächlich auszurollen.
Der klare Möllbach wächst langsam zum Fluss heran. Das Tal breit, grün und warm mit kleinen Attraktionen. Richtig sehenswert ist allerdings der Jungfernsprung. Der Zopenitzenbach stürzt dort etwa 100 m in die Tiefe, ebenso wie der Legende nach eine Jungfrau, die dem Teufel nicht anders entkommen konnte.



In Winklern wendet sich die Möll nach Osten, wo sie kurz vor Spittal in die Drau mündet. Es war inzwischen richtig warm geworden und zum Iselsbergpass waren es noch einmal 230 Höhenmeter. Im Tauernstübel versorgte man mich mit kaltem Weizenbier und heißen Würstchen. Ich blieb, bis alle Motivation den Berg hinaufzukurbeln aus meinem Kopf und meinen Beinen getilgt war.
Mühsam erklomm ich den eigentlich harmlosen letzten Anstieg. Mein Navi spielte eine Fanfare als ich die 2000-Tageshöhenmeter-Marke überschritt.
Die Gailtaler Alpen liegen bereits südlich der Drau und Lienz.
Ausrollen!
Ich hatte einen Trail, den „Weg der Römer“ gar nicht mehr auf dem Schirm.
Meine Federung wurde letztlich doch noch in Anspruch genommen und mir machte es plötzlich wieder Spaß auf dem Rad zu sitzen.
In Lienz habe ich im „Tristacherhof – Tanzer“ übernachtet. Eine Website kann ich leider nicht anbieten, das Hotel aber trotzdem empfehlen.
Bis zu den Gaststätten in Lienz war es ein schöner Spaziergang an der Drau und an der Isel entlang.





Die Großglocknerstraße ist eine sportliche Herausforderung, auch wenn man es nicht eilig hat, und sie ist eine großartige Panoramastraße und war alle Mühen wert, besonders an einem sonnigen Tag wie heute.
Eine Königsetappe halt!