GPX-Daten der Etappe

In Lajen war Dorffest und entsprechend voll war der Ort. Wir kamen im Tschutscherhof unter und das erwies sich in jeder Hinsicht als Glücksfall. Eine urige Eingangshalle, Zimmer mit hellen Kiefernmöbeln, sehr nette und hilfsbereite Wirtsleute und ein Frühstück mit frischen Zutaten vom eigenen Hof.

Unsere Tour begann mit trübem Himmel und die Straße nach St. Ulrich war an vielen Stellen noch nass.

Im Ort selbst gelingt es den vielen Holzbalkonen, Blumenkästen und Wandbemalungen beinahe, die fehlende Sonne zu ersetzen. Wir nahmen uns dafür allerdings keine Zeit, allenfalls beim Blick aus der Gondel, als wir das Grödnertal in Richtung Seiser Alm verließen.
Wenn man die Bergstation erreicht, wird man bereits erwartet. Im Südosten sieht man Lang- und Plattkofel, links davon erkennt man unverkennbar den Sellastock und im Westen erhebt sich der wuchtige Schlern, auf dem wie eine Warze der 2568 Meter hohe Monte Petz sitzt. Kaum zu glauben, dass auch die Sandnerspitze rechts vom Schlernplateau bereits über 2400 Meter hoch ist.
Wir müssen nach Süden, dort, wo jenseits des grünen hügeligen Hochplateaus Schlern und Rosengarten ineinander übergehen.
Das Wort Plateau ist aus der Sicht des Mountainbikers eine Verharmlosung. Auf Pfaden, gut ausgebauten Wirtschaftswegen, über Wiesen und auf zum Teil matschigen Seitenwegen geht es ständig auf und ab. Manchmal entschieden wir uns, zu schieben.
Überall sieht man Hütten und Schober und die sich verändernde Gebirgskulisse lädt immer wieder zum Verweilen ein. Kein Wunder, dass hier so viele Wanderer unterwegs sind.
Hinter der Mahlknechthütte führt ein eigentlich für Radfahrer gesperrter Weg über eine Rinderweide. Wir wussten es besser, mühten uns durch Matsch, Kuhfladen und über überall herumliegende Steinbrocken und sparten damit gegenüber dem erlaubten Weg ganze zwanzig Höhenmeter ein.

Direkt im Anschluss beginnt der Aufstieg zum Tierser Alpl. Die Betonpiste wurde bald sehr steil und obwohl auch das angeblich fahrbar ist, entschieden wir uns bald, zu schieben.
Damit die Rinder diesen Weg nicht benutzen, hängen von den Weidezaunbrücken Gardinen dünner Stäbe herunter. Deren Funktion offenbart sich gelegentlich auch dem arglosen Radfahrer. Ob das prinzipiell so ist oder an unseren nassen Reifen lag, weiß ich nicht.
Vor der Passage vom Tierser Alpl zum Schlernplateu hatte ich großen Respekt, gab es doch bei GoogleEarth Bilder, die schwindelerregende Abgründe seitlich dieses Weges zeigten. Diese Abgründe mag es geben, sie versteckten sich in unserem Fall jedoch sehr effektiv hinter dichtem Nebel.
Das Höhenprofil der heutigen Etappe versprach eine kurze Abfahrt und eine noch kürzere Auffahrt vor den Schlernhäusern. Das trifft geografisch auch zu, die Beschaffenheit des Weges schließt jedoch die Verwendung des Wortteils ‚fahrt‘ über weite Strecken aus. Wir mussten über viele Stufen, ständig kreuzten Spalten im nassen Fels den Weg, in denen das Vorderrad seitlich wegrutschte und als der Weg schließlich besser wurde, öffnete der Himmel alle seine Schleusen und ein Graupelschauer biblischen Ausmaßes ergoss sich über uns und das bereits greifbar nahe Rifugio Bolzano. Als wir dort ankamen, lösten sich bereits die ersten kleinen Dachlawinen. Wir überließen die Räder ihrem Schicksal und flüchteten in den rettenden Gastraum.
Während wir unsere Wäsche wechselten und uns dank der Körperwärme der übrigen 2300 Schutzsuchenden langsam regenerierten, goss es draußen mit kleinen Pausen noch etwa eine Stunde weiter. Die kurzen Pausen interpretiere ich heute als Finten, mit denen die Verantwortlichen leichtsinnige Radfahrer und Wanderer ins Freie locken wollten.
Ein wenig erwarteten wir, in der Nähe unserer Mountainbikes die aufgedunsenen Leichname von Fahrraddieben zu finden, die bei der Ausübung ihres Berufs tragisch ertrunken waren.

Den Prügelsteig bei Regen zu fahren sei absoluter Wahnsinn, hatte ich gelesen. Wir setzten also unser Fahrt optimistisch fort, hatte es streng genommen doch gegraupelt. Außerdem hatten missgünstige und völlig unglaubwürdige Gäste im Rifugio Gerüchte gestreut, der Prügelsteig sei wegen Bauarbeiten gesperrt.
Nur ein paar Höhenmeter unter den Schlernhäusern waren die Graupel bereits weggeschmolzen. Einige wenige harmlose Stürze auf den glitschigen Holzbalken im Weg bereiteten uns exzellent auf den Prügelsteig vor.
Als wir die malerische Sesselschweige passierten, erinnerte ich mich wieder an meine Kamera. Schade, das Unwetter wäre auch die eine oder andere Aufnahme wert gewesen.
Der Prügelsteig ist eine Holzkonstruktion dicht über dem Talboden einer ziemlich engen Schlucht. Quer verlegte, geviertelte oder halbierte Rundhölzer bilden den Weg, unter dem ein Bach talwärts plätschert. Den nassen Prügelsteig hinunter geht es am einfachsten, wenn man sich auf den Hosenboden setzt und loslässt. Wir hielten uns mit einer Hand am Geländer und mit der anderen am Fahrrad fest. Mit den Füßen tasteten wir vorsichtig das Holz nach der weniger glatten sägerauen Seite ab. Hier und da war etwas Dreck von der Böschung auf die Querhölzer gefallen. Dort richteten wir uns kurz auf und machten Fotos.
Nach 300 Metern war die Holzkonstruktion zu Ende. Im Bachbett stand ein Bagger, von dem ich bis heute nicht weiß, wie man ihn dort hinbekommen hat, der aber die Ehrenhaftigkeit einiger kurz zuvor von mir diskreditierten Personen zumindest teilweise wiederherstellte.
2017 gelang es erstmals einer Bergsteigergruppe aus Sibirien, den Prügelsteig nach einem Regen bergauf zu überwinden. Wir waren 2011 unterwegs, stiegen also ins Bachbett hinunter, balancierten von Stein zu Stein und wateten, wo es nicht anders ging, durch das kalte Wasser, bis wir uns auf den noch oder wieder begehbaren unteren Teil unseres Holzweges begeben konnten.

Der Rest unserer Etappe verlief wirklich reibungslos. Manchmal blitzte sogar die Sonne durch und es ging streckenweise sogar auf schönen Trails weitgehend ständig bergab bis nach Tiers, wo wir keine Unterkunft fanden.
Mitten im Ort Tiers gab es damals ein Selbstbedienungstouristikbüro. Von dort telefonierten wir die Übernachtungsmöglichkeiten in immer größeren Radien ab. Im Spinuserhof hatte man schließlich Mitleid mit uns und adoptierte uns für eine Nacht. Wir bekamen eine Wohnung, wurden sogar bekocht und konnten mit den Besitzern des Hofes während und nach dem Abendbrot in sehr netten Gesprächen allerlei über Land und Leute erfahren.

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