GPX-Daten der Etappe

Der Busfahrer besah geduldig unsere Transportsicherungen und entschied, uns mitzunehmen. Wir ersparten uns dadurch 800 Höhenmeter, die wir hauptsächlich auf der Straße hätten fahren müssen.


Langweilig wurde uns dabei ebensowenig wie den Rad- und Rollerfahrern, die wir unterwegs überholten. Die ganze Unternehmung erinnerte an den Actionfilm „Speed“.
Die oftmals nur kleinen Bäumchen rechts unter uns hätten den Bus wohl kaum aufgehalten und wir machten uns ernsthafte Gedanken, ob unsere Fahrräder es wohl überstanden hätten, wenn wir von der Straße abgekommen wären.
Als der Busfahrer zum ersten Mal bremste, waren wir in Aprica.
Dank der Magnolta Seilbahn ersparten wir uns weitere 650 Höhenmeter. Es sollte also ein erholsamer Tag werden.

Der Track, auf den wir uns begaben, nennt sich „Gran Via delle Orobie“. Dem Namen Gran Via wird er dabei genau 536 Meter und 67 Zentimeter gerecht. Dann verwandelt er sich in einen Pfad.
Noch einmal die gleiche Strecke und wir mussten aus dem Sattel, weil es zu steil wurde.
Dann umrundeten wir einen Bergrücken auf einem schmalen Sims, der Fahrfehler sofort mit dem Tode bestraft hätte. Als es wieder grün wurde, waren es Buchenschösslinge, alle genau zwei Meter hoch und gerade kräftig genug, einem Arme und Gesicht zu verkratzen.
Der Berg merkte, dass wir mit seinem bisherigen Angebot nicht zufrieden waren und versuchte es direkt danach mit einem Schneefeld. An den Fußspuren im Schnee konnten wir erkennen, dass hier vor uns bereits genau null Personen vorbeigekommen waren.
So ganz ohne Besuch war es dem Berg natürlich langweilig und so verbrachte er wohl den Tag damit, für die lange ersehnten Gäste ein Sortiment erlesenster Steine in allen nur denkbaren Größen und Formen herzustellen und natürlich dort zu platzieren, wo die Gäste sie zwangsläufig auch bemerken mussten. Mitten auf dem Weg.
Manchmal fanden die Steine keinen Halt, weil es zu steil wurde. Dann schob es sich wesentlich besser.
Immer wieder sahen wir Abschnitte vor uns, die wir doch bestimmt fahren können würden und jedesmal waren es dann allenfalls zehn oder fünfzehn Meter bis zu einem Wasserfall, einem mit Halteketten gesicherten Sims über einem Abbruch oder einer einfach nur von dicken Grasbatzen durchsetzten Buckelpiste.

Immerhin gab es ständig etwas zu sehen. Im Tal wanderte der Belviso Stausee langsam an uns vorbei und hinter uns blitzte immer wieder einmal ein Gletscher auf den inzwischen weit entfernten Bergen oberhalb von Poschiavo auf.
Mitten in dieser Einöde begegnete uns ein junger Mann im lila Trainingsanzug. Er hielt ständig sein Handy in die Höhe als ob es 30 Zentimeter weiter oben ein Netz gäbe. Wir versuchten, mit ihm Kontakt aufzunehmen, aber er sprach keine uns bekannte Sprache. Sein Handy könnte allerdings ein Tricorder gewesen sein, mit dessen Hilfe er sich zurück auf sein Mutterschiff beamen lassen wollte.

Kurz vor der Passhöhe gab es dann tatsächlich ein längeres Stück, das man zusammenhängend befahren konnte. Dafür waren die letzten Meter dann aber noch einmal steil.

Inzwischen wurde der Pfad zum Venerocolo restauriert und man kann das meiste tatsächlich mit dem MTB fahren. Wir konnten uns 2023 davon überzeugen.

Nach knapp vier Stunden hatten wir die 13 Kilometer bis zur Passhöhe geschafft.
Nach einer großzügigen Pause saßen wir auf, fuhren um die Zunge, mit der der Monte Venerocolo gelegentlich aus dem Lago Venerocolo schlürft und schoben dann durch das selbe radfahrerfeindliche Gelände wie zuvor hinauf bis zum Passo del Gatto.
Hier gab es kein Grün und noch nicht einmal Vögel wagten sich so weit von den nächsten menschlichen Ansiedlungen weg.
Unsere Situation hatte sich allerdings insoweit gebessert, als wir jetzt bergab schieben konnten.
Nachdem wir den Lago di Valbona halb umrundet hatten gab es die ersten wirklich fahrbaren Abschnitte. Wie genossen wir es, nun durch zentimeterdicken Schafskot fahren zu können.
Hinter der Baita Gaffione wurde der Weg breiter und die Fliehkraft befreite die nun schneller drehenden Reifen von ihrem unappetitlichen Belag.

Um 17.53 Uhr beendeten wir nach 23 Kilometern die Etappe bei dem malerisch gelegenen Rifugio Vivione. Das schmale Sträßchen, was an dem Hotel vorbeiführt, war übersät mit Anfeuerungen für die Rennradfahrer, vielleicht des Giro d’Italia, die hier scheinbar vor kurzem vorbeigekommen waren.

Weil ich diese Etappe geplant hatte, bin ich meinen drei Begleitern heute noch dankbar, dass sie mich nicht in einem namenlosen Teich unterwegs ertränkt haben.

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